Laurence des Cars sagt aus: Direktorin in Not

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War der Raub der Louvre-Kronjuwelen die Folge von schierem Pech? Oder von sträflichen Versäumnissen? Seit dem spektakulären Einbruch am 19. Oktober haben nicht nur Frankreichs Journalisten Mühe, sich Klarheit zu verschaffen. Auch Volksvertreter tappen im Dunkeln. Doch mit jeder Anhörung vor der Nationalver­sammlung oder vor dem besonders offensiven Kulturausschuss des Senats rückt der Zeiger weiter in Richtung „Versäumnis“. Am Dienstag stand der letzte Louvre-Direktor, Jean-Luc Martinez, Vertretern der Oberkammer des Parlaments Rede und Antwort; am Mittwoch folgte die zweite Anhörung der gegenwärtigen Leiterin, Laurence des Cars.

Martinez, der zwischen 2013 und 2021 amtierte, konnte sich weitgehend gegen den Vorwurf verteidigen, er habe die „Sicherheitskultur“ vernachlässigt. So verwies er auf eine 2014 bis 2015 erstellte „Kartographie der Risiken“ und auf einen 2017/18 ausgearbeiteten umfassenden „Sicherheits-Rahmenplan“ („schéma directeur de sûreté“). Die Umsetzung dieses Plans wurde verzögert durch Umstände, auf die Martinez keinen Ein­fluss hatte: die zehnmonatige Schlie­ßung des Museums während der Pan­demie sowie die Saumseligkeit der Obrigkeit, die nötigen Geldmittel bereitzustellen.

Intrigantenstadl Louvre?

Des Cars hatte ihrerseits mehr Mühe, zu rechtfertigen, warum besagter Plan noch immer nicht konkretisiert ist. Die Louvre-Direktorin und ihre Mitarbeiter verwiesen auf eine Überarbeitung im Sinne größerer Effizienz und auf die langsamen Mühlen der technisch-administrativen Ausarbeitung des auf 80 Millionen Euro ver­anschlagten Riesenprojekts. Man mag ihre Argumente nicht ganz von der Hand weisen, aber Tatsache ist: Seit neun Jahren laboriert der Louvre an einem Sicherheitsplan, der noch immer nicht Gestalt angenommen hat.

Dabei hatten zwei Rapporte 2017 und 2019 konkrete Schwachstellen benannt – der jüngere sogar schwarz auf weiß das Fenster, durch welches die Diebe im Oktober eingedrungen sind. Martinez wurde gefragt, ob er bei der Amtsübergabe an Des Cars – für die er eine erwiderte Animosität hegt – versäumt habe, auf diese Berichte zu verweisen: Die gegenwärtige Louvre-Leiterin und ihr Stab hatten die Existenz dieser Dokumente erst nach dem Raub entdeckt. Doch fragt sich auch hier, wo und bei wem das Versäumnis liegt: Besagte Dokumente waren in den Archiven des Museums greifbar, führende Mitarbeiter, die von ihrer Existenz wussten, blieben auch nach Martinez’ Abgang im Amt.

 Louvre-Direktorin Laurence des Cars vor dem Kulturausschuss des französischen SenatsIm Kreuzverhör und -feuer: Louvre-Direktorin Laurence des Cars vor dem Kulturausschuss des französischen SenatsAFP

Wie vertrackt der Fall ist, zeigt das Fenster, das die Diebe mit einem Trennschleifer aufgebrochen haben. Laut Martinez bot es absichtlich keinen großen Widerstand, weil es im Brandfall der Feuerwehr einen raschen Zugang ermöglichen sollte – die dahintergelegene hölzerne Galerie d’Apollon ist hochentflammbar. Doch der ebenso gut informierte wie unnachgiebige Präsident des Kulturausschusses des Senats, Laurent Lafon, konterte, weder Brandwehr noch Denkmalschutz hätten je Einwände formuliert gegen die Verstärkung des Fensterglases oder gegen die Anbringung eines Gitters, wie es bis 2003 ei­nes gab – und demnächst wieder geben soll. Der Punkt ist kapital, weil die Diebe, wie der Leiter der Generalinspektion des Kultursektors letzte Woche vor dem Senatsausschuss aussagte, gefasst worden wären, hätten sie dreißig Sekunden länger gebraucht.

Laurence des Cars steht nach dieser Anhörung mehr denn je unter Druck. So hat das Kulturministerium jüngst Philippe Jost, den Leiter der mit dem Wiederaufbau von Notre-Dame betrauten Abteilung, beauftragt, Vorschläge für eine „tiefgreifende Reorganisierung“ des Louvre auszuar­beiten. Des Cars wird auch grund­sätzlich vorgeworfen, die Sicherheits­politik zugunsten hochfliegender Pro­jekte zu vernachlässigen. Die Gegen­überstellung des seit 2021 von vordem jährlich 12 Millionen Euro auf gegenwärtig 3 Millionen Euro eingeschrumpften Sicherheitsbudgets und des auf 1 Milliarde Euro veranschlagten pharaonischen Vorhabens „Lou­vre-Renaissance“ (mit der Schaffung eines zweiten Haupteingangs sowie riesiger unterirdischer Räumlichkeiten im Osten des Palastkomplexes) spricht für sich. Derweil müssen Säle wegen einsturzgefährdeter Böden geschlossen werden, hat ein Wasserschaden in der ägyptischen Bibliothek jüngst Hunderte von Sammlungsstücken beschädigt und haben – erstmals seit Jahrzehnten im Einklang – alle Louvre-Gewerkschaften am Montag einen Streik durchgeführt. Die Mitarbeiter des größten Museums der Welt, so die Klage, seien überarbeitet, unterbezahlt und gering geschätzt.

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