Die feuchte Nase befindet sich direkt über dem Boden. So dicht, dass sie beinahe auf dem Kopfsteinpflaster aufsetzt. Der Bayerische Gebirgsschweißhund schnüffelt. An Steinen, Ästen, Moos und Sträuchern. Plötzlich hält er an, setzt sich hin und starrt auf eine Stelle. »So zeigt er einen Fund an«, sagt die Frau, die den Hund an einer langen Leine hält. »Super, fein gemacht«, lobt sie das Tier und holt aus ihrer Tasche ein Leckerli.
Die Frau heißt Marie-Luise Behrens. Der Gebirgsschweißhund trägt den Namen Clyde. Jetzt gerade sind die beiden so etwas wie Arbeitskollegen. Sie sind für die Deutsche Bahn auf einem verlassenen Gelände in Thüringen unterwegs, direkt neben dem Erfurter Hauptbahnhof. Die Bahn möchte hier Bürogebäude und Hochhäuser errichten. Doch bevor die Bauarbeiten starten können, muss herausgefunden werden, ob auf dem Areal bedrohte Tierarten leben.
Das ist die Aufgabe des Artenschutzspürhunds und der Hundeführerin. Während Clyde seine Belohnung frisst, nimmt Marie ein Tablet zur Hand. In einer App ist ein Luftbild des Geländes zu sehen. Marie markiert darauf, an welcher Stelle Clyde etwas gefunden hat und was genau es war. »Er ist auf Schlingnattern und Zauneidechsen spezialisiert«, sagt Marie. »Jetzt gerade schauen wir nach Zauneidechsen.«
Damit die Suche nach ihnen weitergeht, gibt Marie Clyde ein Startsignal. Sie lässt den Hund ruhig neben sich sitzen und hält ihm die Hand unters Kinn. »Look«, befiehlt Marie. Und Clyde schnüffelt los.
Früher hat die Deutsche Bahn ausschließlich Menschen auf die Suche nach den seltenen Tieren geschickt. Inzwischen werden sie bei dieser Arbeit von Hunden unterstützt. Seit fünf Jahren besitzt die Bahn eine eigene Staffel Artenschutzspürhunde. Heute gehören ihr insgesamt 20 Tiere an. Sechs von ihnen befinden sich noch in der zweijährigen Ausbildung, die alle Hunde durchlaufen. »Dabei lernen sie etwa, verschiedene Gerüche den richtigen geschützten Tierarten zuzuordnen und während einer Zugdurchfahrt ruhig am Gleis sitzenzubleiben«, erklärt Marie.
Am Ende der Ausbildung steht eine Prüfung. Clyde hat sie im Mai bestanden. Seitdem ist er zusammen mit Marie im Einsatz. »Wir sind vor allem in Teilen Sachsens, Thüringens und Bayerns unterwegs. Wenn die Bahn dort Gebäude errichtet, Lärmschutzwände hochzieht oder Strecken saniert, führen wir vorher eine Artenkartierung durch.« So nennt man es, wenn das Vorkommen bestimmter Tiere an einem Ort genauestens dokumentiert wird.
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Die Deutsche Bahn ist gesetzlich dazu verpflichtet, alle bedrohten Tierarten, die auf dem Gelände entdeckt werden, aufzuspüren und manchmal auch umzusiedeln. »Dafür umzäunt man zum Beispiel das Areal, fängt alle Tiere ein und bringt sie in ein Ersatzhabitat«, sagt Marie. Erst wenn die Tiere in Sicherheit sind, dürfen die Bauarbeiten starten.
Clyde schnüffelt weiter am Boden entlang. Er folgt seiner Nase bis in einen kleinen Busch hinein. Fündig wird er dort nicht. Streicheleinheit und Futter gibt es trotzdem. »Er wird auch für gutes Suchen belohnt«, sagt Marie. »Also wenn er die Schnauze schön tief hält oder sich ein Gestrüpp anschaut.«
Marie kann in einer App sehen, welches Gebiet abgesucht werden soll
Foto: Dominique Wollniok / DEIN SPIEGELOffiziell gehören die Artenschutzspürhunde der Deutschen Bahn. Zu Hause sind sie aber bei ihren Hundeführerinnen und Hundeführern. »Solange ich den Job mache, darf ich Clyde behalten. Wenn ich aber lange ausfallen würde, zum Beispiel wegen einer Krankheit, müsste ich ihn abgeben.«
Clyde gähnt. Marie merkt, dass er für heute genug hat. Länger als 20 Minuten am Stück lässt sie ihn nie schnüffeln. Zwischen den Sucheinheiten gibt es längere Pausen. »Hunde brauchen viel mehr Ruhe als Menschen. Sie können diese Arbeit nicht stundenlang machen«, sagt Marie. »Außerdem muss Clyde immer Spaß an seinem Job haben. Sonst macht er irgendwann nicht mehr mit.«
Der Hund legt sich in seine Transportbox im Kofferraum von Maries Dienstauto. Es ist voller Kisten und Schubladen, in denen Dinge wie Spielzeug, Futter, Arbeitskleidung und technische Geräte liegen. Marie nimmt eines davon in die Hand. »Damit lassen sich Temperatur und Windstärke messen«, erklärt sie. »Wir erheben solche Daten auch, um wissenschaftlich auszuwerten, unter welchen Bedingungen die Hunde am besten arbeiten.«
Bei Marie lebt neben Clyde, der offiziell der Deutschen Bahn gehört, noch ein weiterer Hund: ein Beagle namens Merlin
Foto: Dominique Wollniok / DEIN SPIEGELAuf einer der Kisten steht das Wort »Reptilien« geschrieben. Marie zieht sie heraus und nimmt den Deckel ab. Lebendige Tiere befinden sich darin nicht. Dafür viele Gläser und kleine Schachteln. »Da sind Häute, Kot, Eihüllen und Geruchsproben von Zauneidechsen und Schlingnattern drin«, sagt Marie. »All das brauchen wir zu Trainingszwecken.« Sie nimmt eines der Röhrchen in die Hand und öffnet es. Der Geruch ist beißend, als stünde man mitten in einem Zoogehege. »Ziemlich intensiv, oder? So riechen Zauneidechsen.«
Marie räumt die Kiste zurück in den Wagen. Sie streichelt Clyde über den Kopf und schließt die Tür seiner Box. Der Gebirgsschweißhund hat Feierabend. Wann die Deutsche Bahn hier mit den Bauarbeiten starten kann, ist noch nicht entschieden. Das Gelände ist neun Hektar groß. Es könnte hier nicht nur Zauneidechsen geben, sondern auch weitere bedrohte Tiere wie Fledermäuse. Doch mit denen hat Clyde nichts zu tun. Sie zu finden, ist die Aufgabe eines anderen Hundes.
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vor 21 Stunden
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