Videospiele und Donald Trump: Wie Trump Videospieler umgarnt – und der Games-Industrie schadet

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 "Nur ein Führer widmet sich ganz der Aufgabe, Spielern die Macht zu geben", heißt es vom Weißen Haus.

"Nur ein Führer widmet sich ganz der Aufgabe, Spielern die Macht zu geben", heißt es vom Weißen Haus. © [M] Viola Hasse/​DIE ZEIT; verw. Bilder: Beatriz Camaleao/​unsplash.com; Umm E Hani/​unsplash.com; Andrew Harnik/​Getty Images

Donald Trump als Videospielheld, Migranten als Weltraumzombies: Der US-Präsident inszeniert sich als Staatsoberhaupt der Zocker. Macht er wirklich "Games Great Again"?

13. Dezember 2025, 13:24 Uhr

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Mit grimmigem Blick salutiert Donald Trump vor dem Weißen Haus. Auf dem Bild trägt der 79-jährige US-Präsident einen Raumanzug, in seiner Hand hält er ein Schwert. Die Szenerie wirkt bedrohlich, fast schon gespenstisch, hinter Trump ist die unvollständige Flagge der USA zu sehen, ihr fehlen die Sterne einiger Bundesstaaten.

Power to the Players lautete der Titel des mit künstlicher Intelligenz (KI) generierten Bildes, das das Weiße Haus Ende Oktober auf der Kurznachrichtenplattform X postete. Es soll Trump als starken und entschlossenen Supersoldaten zeigen, aus dem Science-Fiction-Shooterspiel Halo: Kampf um die Zukunft, eines der meistgespielten Games der Welt. Wenig später griff auch das Immigration and Customs Enforcement (ICE) die Halo-Anspielung auf, jene Behörde, die für ihr brutales Vorgehen gegen Migranten kritisiert wird. Sie postete als Rekrutierungsanzeige ein Bild von Halo-Weltraumsoldaten mit dem Slogan "Destroy the Flood". Die Flood, im eigentlichen Spiel Halo sind das Alien-Zombie-Parasiten, wurden zum Synonym für eine vermeintliche Flut von Migranten, die "zerstört" werden muss.

Und die Spielebranche? Schweigt. Proteste von Microsoft, Rechteinhaber der Halo-Spiele, blieben aus. Die Games-Branche scheint sich gegenüber Trumps Ultrakonservatismus in Zurückhaltung zu üben. "Mir wurde schwindelig, als ich gesehen habe, wie Microsoft auf den Halo-Vorfall reagiert hat – nämlich gar nicht", sagt Rudolf Thomas Inderst, Professor für Game Design und Game Studies an der Hochschule Neu-Ulm. Dieses Wegignorieren angesichts einer so "brutalen Vereinnahmung" empfinde er als "wirklich beängstigend".

Games und rechte Slogans – keine neue Formel für das Weiße Haus unter Trump: Im September veröffentlichte die US-Regierung einen mit Pokémon-Titelmusik unterlegten TikTok-Zusammenschnitt der Festnahmen von Migranten mit dem Slogan der Videospielreihe: "Gotta catch 'em all". Auch damals fielen die Reaktionen ähnlich verhalten aus. Die Pokémon Company, ein Nintendo-Joint-Venture, erklärte zwar öffentlich, keine Genehmigung für den "Gotta catch 'em all"-Deportationsspot gegeben zu haben. Dass die Clips aber bis heute online stehen, deutet darauf hin, dass das Unternehmen darauf verzichtete, den Missbrauch seiner Marke juristisch zu stoppen. Eine Stellungnahme lehnte das Unternehmen auf Anfrage der ZEIT ab.

Vom Guardian zu einer Stellungnahme zur kontroversen Halo-Kampagne gebeten, äußerte ein Sprecher des Weißen Hauses sich nicht zu Rassismus, Menschenwürde oder Urheberrecht, sondern beschwor die Gaming-Liebe des Präsidenten: "Nur ein Führer widmet sich ganz der Aufgabe, Spielern die Macht zu geben, und das ist Donald J. Trump", schrieb der Sprecher dem Guardian. "Darum ist er höchst beliebt beim US-Volk und US-Gamern."

Nur: Ist Trump tatsächlich der Gamer-Präsident, als der er sich inszeniert? Einer, der nicht nur die Motive nutzt, um eine videospielaffine Zielgruppe für sich zu gewinnen, sondern "Spielern die Macht gibt"? Sodass am Ende auch für die US-Videospielbranche gilt, was er am von ihm Liberation Day getauften 2. April zum Eintritt seiner Strafzölle versprach, dass " Jobs und Fabriken mit Getöse in unser Land zurückkehren"?

Tatsächlich pflegt Trump schon lange Kontakte zur Gaming-Welt, etwa zum Rechtspopulisten Steve Bannon, Chefstratege seiner ersten Präsidentschaftskampagne, der zuvor mit chinesischen Goldfarmer-Niedriglöhnern in World of Warcraft Geld gemacht hatte. Oder Elon Musk, dessen Firma xAI an KI-generierten Spielwelten arbeitet. Die Firma von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, Affinity Partners, kaufte kürzlich mit anderen Investoren für 55-Milliarden US-Dollar den Gaming-Giganten Electronic Arts.

Die Idee? Eine Armee an Trollen aktivieren

Die Strategie, eine Games-affine Zielgruppe an Wählern zu gewinnen, lässt sich bis 2016, zu Bannons Eintritt in Trumps Wahlkampfteam, zurückverfolgen. Kurz zuvor hatten sich im Gamergate-Skandal Massen sexistischer, männlicher Gamer mobilisiert, um feministische Spiel-Entwicklerinnen und -Journalistinnen durch Verleumdung und Doxing zu terrorisieren. Bannon äußerte offen Interesse, die Trolle politisch einzuspannen: "Man kann diese Armee aktivieren", sagte Bannon. "Sie kommen durch Gamergate oder sonst woher und werden dann auf Politik und Trump gebracht."

Diese Mobilisierung von Gamern bietet Trump doppelten strategischen Nutzen: Zum einen, da die Social-Media-affinen Anhänger dieser Zielgruppe attraktive Multiplikatoren im Wahlkampf darstellen. Zum anderen, um unter jüngeren Wählern Stimmen zu gewinnen. Eine Strategie, die aufzugehen scheint: Hatte Trump einer Auswertung von Associated Press zufolge in den Wahlen 2016 und 2020 nur 37 und 36 Prozent der Stimmen der 18- bis 29-Jährigen gewonnen, seiner schwächsten Alterskohorte, so lag er 2024 dort bereits bei 46 Prozent. Games bilden dabei nur einen Baustein in der Methode, über vordergründig harmlose Popkulturreferenzen etwa zu den Animes des Studio Ghibli, Popsongs oder Herr der Ringe Sympathien bei jüngeren Wählern aufzubauen. Eine Strategie, die inzwischen auch von der deutschen Neuen Rechten nachgeahmt wird.

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