Angesichts der neuen Sicherheitsstrategie der USA fordert Merz ein "einiges und starkes Europa". Ungarns Regierungschef Viktor Orbán zieht daraus andere Schlüsse.
Aktualisiert am 11. Dezember 2025, 12:08 Uhr Quelle: DIE ZEIT, dpa, Reuters, ale
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sieht sich von der neuen US-Sicherheitsstrategie darin bestärkt, Europas Rolle in der Nato ausbauen zu wollen. Das Sicherheitspapier der US-Regierung "bestätigt uns, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind", sagte der Kanzler bei einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte in Berlin.
Merz distanzierte sich indirekt von der US-Sicherheitsstrategie, hob aber hervor, weiter an der transatlantischen Zusammenarbeit festhalten zu wollen: "Wo wir jenseits der Rhetorik im eigenen Interesse mit den USA zusammenarbeiten können, werden wir das selbstverständlich weiterführen", sagte der Kanzler. Das gelte insbesondere für die Arbeit an einem Ende des russischen Krieges gegen die Ukraine und die Zukunft der Nato.
Er habe keinen Zweifel daran, dass frühere Zusagen der USA im Rahmen der Nato-Zusammenarbeit weiter bestehen bleiben, sagte Merz weiter. "Es gibt keine Ankündigung und auch keine Schritte hin zur Auflösung des gegenseitigen Sicherheitsversprechens, das wir uns gegeben haben." Damit beantwortete der Kanzler eine Frage danach, ob die USA an der Zusage festhielten, ab kommendem Jahr weitreichende Marschflugkörper in Deutschland zu stationieren.
Merz ruft zu europäischer Einigkeit auf
Die europäische Säule des westlichen Militärbündnisses zu stärken, habe "absolute Priorität", sagte Merz. "Wir werden das als einiges und ein starkes Europa tun. Dieses Europa auch unter Druck zusammenzuhalten und von nichts und niemandem spalten zu lassen, das ist wichtiger denn je. Das einige, starke Europa brauchen wir wie nie zuvor." Die US-Regierung weise in ihrer Sicherheitsstrategie zu Recht darauf hin, "dass wir für unsere Sicherheit in Europa sehr viel mehr tun müssen als in der Vergangenheit".
In der am vergangenen Freitag veröffentlichten US-Strategie positionieren sich die USA als Vermittler zwischen Russland und Europa und kritisieren aufseiten europäischer Länder eine liberale Migrations- und Gesellschaftspolitik, die zu einer "zivilisatorischen Auslöschung" Europas führe. Den "Widerstand" dagegen – mutmaßlich sind vor allem rechtspopulistische und rechtsradikale Kräfte in europäischen Ländern gemeint – würden die USA unterstützen. Sicherheitspolitisch sei es das Ziel der US-Regierung, dass Europa möglichst bald selbstständig werde und seine Abhängigkeit vom Schutz durch die USA abbaue.
Führende EU-Politiker hatten die Strategie als Bruch der transatlantischen Partnerschaft kritisiert und den USA politische Einmischung in innere Angelegenheiten europäischer Länder vorgeworfen. Auch die Bundesregierung äußerte sich ähnlich. Mit dem Ziel, Europas verteidigungspolitische Selbstständigkeit zu fördern, adressierte Merz nun eine der wenigen Passagen in dem Dokument, in dem zwischen den USA und vielen europäischen Staaten Konsens herrscht.
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Gänzlich anders äußerte sich dazu Ungarns Regierungschef Viktor Orbán, dessen rechtskonservative Partei von Trump unterstützt wird: Anders als Merz rief er nicht zu europäischer Einigkeit angesichts der veränderten Haltung der USA auf, sondern betonte die Gemeinsamkeiten zwischen seiner und der Trump-Regierung.
"Amerika hat ein präzises Verständnis von Europas Niedergang", schrieb Orbán auf X. "Sie sehen den zivilisatorischen Niedergang, gegen den wir in Ungarn 15 Jahre lang gekämpft haben. Endlich bekämpfen wir dies nicht mehr allein." Auch stimme er der US-Einschätzung zu, dass das Verhältnis zu Russland "auf strategischer Ebene" neu aufgebaut werden müsse, nachdem "europäische Liberale das Netzwerk an Beziehungen, das es einst mit Russland gab, verbrannt" hätten.
Die USA hatten Russland in dem Papier, anders als in der letzten Sicherheitsstrategie von 2022, nicht mehr als "Bedrohung" für den Frieden in Europa eingestuft, sondern nur darauf verwiesen, dass viele europäische Länder Russland so einschätzten. Die US-Regierung sei an einer "strategischen Stabilität" mit Russland interessiert. Das russische Präsidentenbüro hat die neue Strategie seit ihrer Veröffentlichung mehrfach gelobt und Gemeinsamkeiten zwischen der sicherheitspolitischen Wahrnehmung der USA und Russlands betont.

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