Warten auf Wolodymyr
Heute Vormittag tritt Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) beim Parteitag der CSU in München auf. Erst gestern Abend hatte sich Markus Söder erneut als Parteichef zur Wahl gestellt und mit 83,6 Prozent der Delegiertenstimmen eine Klatsche kassiert. Vor zwei Jahren hatte er 96,6 Prozent bekommen. Nicht ausgeschlossen, dass Söder heute etwas missmutiger auftritt als sonst. Ebenso wenig ausgeschlossen, dass Merz mit dem Kopf ohnehin woanders ist.
Merz und Selenskyj beim EU-Gipfel im Oktober in Brüssel
Foto: Presidential Office of Ukraine / SvenSimon / picture allianceEs sind Schicksalstage, auch für den Kanzler. Die Bundesregierung hat inzwischen offiziell bekannt gegeben, dass am Montag der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Berlin erwartet wird, außerdem die Spitzen von Nato und EU. Auch der US-Sondergesandte Steve Witkoff soll nach Deutschland reisen. Es wird um den Stand der Friedensverhandlungen in der Ukraine gehen. Merz wähnt sich in Europa in einer Führungsrolle.
Er hatte sich weit vorgewagt, als er im Herbst gefordert hatte, die EU möge die eingefrorenen russischen Staatsmilliarden für einen Kredit an die Ukraine nutzen. Russlands Präsident Putin, so die Hoffnung, könnte auf diese Weise klargemacht werden, dass es Europa verdammt ernst damit ist, Kyjiw im Krieg beizustehen (mehr über Europas Umgang mit russischen Staatsgeldern lesen Sie hier ). Doch noch immer kann der Bundeskanzler nicht sicher sein, ob aus seinem Plan Realität wird. Ob es gelingt, auch die zweifelnde belgische Regierung umzustimmen.
Erst in der nächsten Woche wird der EU-Gipfel entscheiden. »Für Merz steht in diesen Tagen bei der Ukraine viel auf dem Spiel«, schreiben mein Kollege Paul-Anton Krüger und Timo Lehmann. Für Europa, so sehe man das in Berlin, sei die kommende Woche womöglich ein historischer Wegscheid (mehr über die Frage, wie die EU zu eigener Stärke findet, lesen Sie hier ).
Mehr Hintergründe hier: Was für Friedrich Merz jetzt auf dem Spiel steht
Frauen in Flecktarn
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine verändert auch die deutsche Gesellschaft. Sie diskutiert über Worte wie »Kriegstüchtigkeit« (Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, SPD) und »Verteidigungsfähigkeit« (Bundeskanzler Merz). Darüber, wie viele Soldatinnen und Soldaten das Land braucht. Und darüber, wie sich mehr junge Menschen für die Bundeswehr begeistern ließen.
Soldatin in Hessen
Foto: Hannes P. Albert / dpa / picture allianceIn der nächsten Woche wird auch der Bundesrat über die neue Wehrdienstreform abstimmen. Was die Pläne vorsehen: Der Dienst an der Waffe soll freiwillig bleiben, vorerst jedenfalls. 18-jährige Männer, angefangen mit dem Geburtsjahrgang 2008, müssen künftig in einem Fragebogen erklären, ob sie Interesse an der Truppe haben und sich mustern lassen. Für Frauen ist beides freiwillig. Ob das im Sinne der Gleichstellung ist, darf bezweifelt werden (lesen Sie hier mehr über die verpasste Chance beim neuen Wehrdienst).
Schon heute haben sich fast 25.000 Soldatinnen aus freien Stücken für die Bundeswehr entschieden. 25 Jahre, nachdem Frauen zum Dienst an der Waffe zugelassen wurden, ist nur eine einzige Drei-Sterne-Generalin darunter. Andersherum gilt aber auch: »In keinem der 59 Särge, die aus Afghanistan zurückkamen, lag eine Frau«, wie meine Kollegin Deike Diening aus dem Hauptstadtbüro in einem lesenswerten Report schreibt. Sie erklärt, wie Frauen die Armee verändern. Und wie die Armee die Frauen verändert.
Die ganze Geschichte hier: Als Russland die Ukraine angriff, stand ihr Entschluss schon fest
Der Feind im eigenen Lobby-Bett
Dass Wirtschaftsverbände sich auf fatale Flirts mit der extremen Rechten einlassen, zeigte unlängst der Lobbyverband »Die Familienunternehmer«. Er hatte einen AfD-Politiker zum Parlamentarischen Abend empfangen, Präsidentin Marie-Christine Ostermann erklärte alle Brandmauer-Überlegungen für gescheitert. Erst als Mitgliedsunternehmen empört den Verband verließen, ruderte sie zurück (mehr zu den Hintergründen lesen Sie hier ). Zurück bleibt der schale Eindruck, zu viele Wirtschaftsvertreter wollten die AfD nicht etwa inhaltlich stellen, sondern prophylaktisch Kontakte knüpfen.
AfD-Parteijugend in Gießen
Foto: Rafael Heygster / DER SPIEGELDabei gäbe das wirtschaftsfeindliche Programm der Partei genug Gründe, vor den Rechtsextremen zu warnen – ganz zu schweigen von der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmerinnen und Managern. BDI-Präsident Peter Leibinger sagte es neulich so: »An jedem kritischen Punkt in der deutschen Geschichte gab es eine Wahl, das Richtige zu tun.« (Lesen Sie hier mehr über Deutschlands Unternehmen, bei denen die Brandmauer bröckelt.)
Doch wie Recherchen meiner Kollegin Kathrin Werner aus dem Wirtschaftsressort zeigen, gibt es Verbände, die eng mit der AfD verbandelt sind. So beschäftigt der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) in seiner Geschäftsstelle einen Mann, der Vorsitzender der AfD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Treptow-Köpenick in Berlin ist. Denis Henkel, so heißt der Mann, schrieb neulich auf dem Kurznachrichtendienst X, es sei »nur vernünftig«, dass sich erste Wirtschaftsverbände für Gespräche mit der AfD öffneten.
Henkel selbst wollte zu einer SPIEGEL-Anfrage keine Stellung nehmen. Der BGA teilt ausführlich mit, wie schwer er sich mit der Zusammenarbeit tue. Dass einer seiner langjährigen Mitarbeiter sich entschieden hat, die AfD zu unterstützen, habe den Verband »schockiert«. Der Verband, der sich öffentlich mehrfach von den Rechtsextremen distanziert hat, will Henkel aber nicht feuern – rechtlich wäre das nicht ohne Weiteres möglich. In der Berliner Lobby-Szene rumort es.
Mehr Hintergründe hier: Der Feind in den eigenen Reihen
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…ist Milliarden-Unternehmerin Taylor Swift. Zugegeben, etwas irritierend ist es schon. Weltweit bereiten sich Swifties mental bereits auf ihren Höhepunkt des nächsten Jahres vor, die anstehende Hochzeit des reichsten Popstars der Welt mit Travis Kelce. Und dann kommt zum Ende dieser Woche eine Dokumentarserie auf den Markt, in der es noch einmal um das geht, was man schon kennt: die Eras-Tour. Soll man das wirklich anschauen? Können auch Nicht-Swifties darin tieferen Sinn finden? Ja, schreibt unser Kritiker. Erleben lässt sich das Arbeitsethos einer Arbeitgeberin mit Hang zu persönlichen Gesten. Und eine Prognose sei erlaubt: Der Absatz von Siegelwachs dürfte künftig steigen.
Die jüngsten Meldungen aus der Nacht
US-Sondergesandter Witkoff trifft Selenskyj und europäische Staatenlenker in Berlin: Der US-Sondergesandte reist für Ukrainegespräche nach Berlin. Die USA hatten zunächst offen gelassen, ob sie sich an einem Austausch zwischen Selenskyj, Kanzler Merz und europäischen Spitzenvertretern direkt beteiligen.
Oppositionsführerin Machado fordert mehr Druck auf Maduro: Nach ihrer Flucht nach Oslo fordert Friedensnobelpreisträgerin María Corina Machado mehr Druck auf Venezuelas Präsident Nicolás Maduro. Eine US-Intervention schließt sie in einem TV-Interview zumindest nicht ausdrücklich aus.
Berlin verpasst wohl Marke von 30 Millionen Übernachtungen: Nach der Corona-Vollbremsung erholten sich die Tourismuszahlen. Nun gehen sie in der Hauptstadt wieder zurück. Deutschlandweit sieht es jedoch etwas besser aus.
Heute bei SPIEGEL Extra: Sie brechen alle Rekorde, doch in ihrem Hype-Label knallt es
Sänger Zartmann während eines Konzertes in Österreich
Foto:Florian Wieser / APA / picturedesk.com / picture alliance

vor 23 Stunden
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