Mehrere Hundert Studenten und Professoren haben in dieser Woche vor der New Yorker New School südlich des Union Square protestiert. Die Universität ist in der schlimmsten finanziellen Krise seit ihrer Gründung im Jahr 1919. Im Haushalt fehlen 48 Millionen Dollar, retten will man sich durch drastische Sparmaßnahmen. 40 Prozent der Vollzeit-Professoren sollen ein Abfindungsangebot bekommen haben, damit sie ihre Verträge auflösen.
Die New School, die weltweit für ihr progressives Profil bekannt ist, will auch Promotionsangebote pausieren und zwei Dutzend akademische Programme streichen. Letzteres würde vor allem die Geistes- und Sozialwissenschaften an der New School of Social Research (NSSR) genannten Fakultät und dem Eugene Lang College treffen. Fachbereiche wie die Parsons School of Design sind lukrativer und könnten geschont werden.
Fachbereiche sollen fusionieren
Die Fakultäten sollen künftig in zwei große Bereiche zusammengelegt werden. Um den Sparkurs etwas leichter verdaulich zu machen, gab Präsident Joel Towers der Forderung nach, seine historische Residenz im West Village zu verkaufen. Die Wut der Demonstranten richtet sich trotzdem gegen ihn: „Short on money, high on power, we don’t trust Joel Towers“, riefen sie vor dem Hauptgebäude an der zwölften Straße.
In den letzten Jahren wurde die Hochschule oft dafür kritisiert, dass sie sich als linke Institution gebe, aber die Löhne drücke und die gewerkschaftliche Organisation ihrer Angestellten behindere. Mehrfach gab es Demonstrationen und Streiks von wissenschaftlichen Mitarbeitern. Die Krise hatte sich in den letzten Monaten durch die Ankündigung von Präsident Donald Trump, weniger ausländische Studenten ins Land zu lassen, noch verschärft. An Privathochschulen müssen Einheimische häufig nicht die vollen Studiengebühren zahlen. Institutionen wie die New School können deshalb auf die internationalen Studenten schlecht verzichten, von denen sie in der Regel die höchsten Gebühren bekommen. Bewerber aus anderen Ländern sind wiederum abgeschreckt von der Überwachung und den Abschiebeverfahren gegen Studenten, die sich politisch engagieren. Das traf besonders jene, die gegen den Gazakrieg demonstrierten. Auch an der New School gab es ein Protestcamp von Studenten und Professoren gegen den Krieg.
Der politische Aktivismus hat für die Geistes- und Sozialwissenschaftler Tradition. Und weil die Kürzungen sie besonders betreffen, fürchten viele Professoren und Studenten um den Charakter der New School. Die Hochschule war 1919 von Professoren der Columbia Universität gegründet worden, die aus Protest gegen den Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg zurückgetreten waren. Die Gruppe um den Historiker Charles Beard und den Wirtschaftswissenschaftler Thorstein Veblen war von ihrem Arbeitgeber für ihren Protest gemaßregelt worden. Seit 1933 wurde die New School Zufluchtsort vieler Intellektueller aus Europa. Ein mit privaten Mitteln finanzierter neuer Bereich hieß „University in Exile“ und wurde später in die Fakultätsstruktur integriert.
„University in Exile“ zog berühmte Deutsche an
Dieses Modell schuf fast 200 neue Positionen und sorgte so für lebensrettende Visa. Auch einzelne Wissenschaftler der Frankfurter Schule, die vor den Nazis fliehen mussten, fanden hier eine neue Heimat oder stießen nach dem Krieg zur Professorenschaft, darunter Otto Kirchheimer und Erich Fromm. Gemeinsam mit Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Herbert Marcuse, die von 1934 bis 1951 mit ihrem Institut für Sozialforschung an der Columbia Universität untergekommen waren, prägten sie die Wissenschaft über Jahrzehnte. Von 1967 an lehrte Hannah Arendt an der New School.
Wenn Institute zusammengelegt werden und künftig vor allem lukrativ sein sollen, dann sei dieses intellektuelle Erbe in Gefahr, sagen Kritikerinnen wie die Soziologieprofessorin Rachel Sherman, die ein Abfindungsangebot erhielt. Die Umstrukturierung sei Vorwand für eine ideologische Neuausrichtung, so Sherman gegenüber dem Lokalmagazin „Gothamist“. Geschichtsprofessor Jeremy Varon nannte die Kürzungen „einen ideologisch motivierten Versuch, historische Räume kritischer Forschung und politischer Arbeit für soziale Gerechtigkeit zu dezimieren“.
Die Kritiker fürchten, dass die Führung künftig anwendungsorientiertem Wissen statt philosophischer und künstlerischer Bildung den Vorrang gebe. Die Hochschule wies die Vorwürfe zurück und versicherte, keine der Fakultäten besonders ins Visier zu nehmen. Alle Bereiche müssten sparen.

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