Von wem die Berichte und Bilder stammen, aufgrund derer sich die ganze Welt ihr Urteil über das bildet, was seit dem 7. Oktober 2023 in Gaza geschieht, ist seit dem Beginn des Vorgehens der israelischen Armee gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas die Frage. Unabhängige Journalisten lässt Israel nicht in den Gazastreifen hinein. Fotos, Filmaufnahmen, Interviews und Berichte liefern einheimische Reporter, deren Material die internationalen Medien übernehmen. Dass die Hamas dabei ihre Finger im Spiel hat, musste jedem klar sein. Schon die Bilder und Videos vom Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1200 Israelis getötet und rund 250 entführt wurden, deuteten darauf hin, dass hier keine unabhängigen „Journalisten“ am Werk waren.
Hamas und „Islamischer Dschihad“
Waren sie auch nicht, sagt das israelische Meir Amit Intelligence and Terrorism Information Center, eine 2002 gegründete Forschungsgruppe, die sich um Informationen zu Geheimdiensten und Terrorismus kümmert. Von 266 seit dem 7. Oktober 2023 in Gaza getöteten „Journalisten“ hätten mindestens 157 Verbindungen zur Hamas oder dem „Islamischen Dschihad“ gehabt oder seien deren Mitglieder gewesen. 104 hätten der Hamas angehört, 47 seien Teil von deren militärischer Organisation gewesen, 45 hätten Verbindungen zum „Islamischen Dschihad“ gehabt, 18 seien Teil von dessen militärischer Formation gewesen. Ein paar weitere habe man dem militärischen Arm der Fatah oder der Volksfront zur Befreiung Palästinas zuordnen können, bei 94 der Getöteten habe man keine Verbindungen zu den genannten Organisationen gefunden. Ausgewertet hat das Zentrum, das wir nach israelischen Medienberichten zitieren, eine Liste mit den Namen von Medienschaffenden, welche die Hamas selbst veröffentlicht hatte, palästinensische Medienberichte und interne Hamas-Dokumente über deren Militärangehörige, die die israelische Armee bei ihrem Vormarsch in Gaza gefunden hatte.
Das Thema „Propaganda der Hamas“ sei von großer Bedeutung, sagte Shlomo Mofaz, der Direktor des Zentrums, in einem Interview. Zu dieser gehöre die Darstellung, dass in Gaza viele Journalisten getötet würden. Recherchiere man die Fakten, komme man zu dem Schluss, dass rund 60 Prozent der Getöteten zu einer Terrorgruppe gehörten – das sei „definitiv eine sehr hohe Zahl“.
Reporter ohne Grenzen: Israel diffamiert Journalisten
Diese deutet zumindest darauf hin, dass Organisationen wie das Committee to Protect Journalists (CPJ) oder Reporter ohne Grenzen (RSF), wenn sie von getöteten Journalisten sprechen, den Hintergrund nicht vollständig erfassen. 67 Journalisten seien in diesem Jahr weltweit aufgrund ihrer Arbeit getötet worden, teilte Reporter ohne Grenzen in seiner „Jahresbilanz der Pressefreiheit“ Anfang der Woche mit. Die israelische Armee sei „für mehr als 43 Prozent – fast die Hälfte – der in den vergangenen zwölf Monaten getöteten Journalisten verantwortlich“. Insgesamt habe die israelische Armee seit Oktober 2023 fast 220 Journalisten getötet. Mindestens 65 seien im Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet worden, „einige davon gezielt“. „Um diese Verbrechen zu rechtfertigen“, schreibt RSF an anderer Stelle, „steuert die israelische Armee eine weltweite Propagandakampagne und verbreitet unbegründete Anschuldigungen, die palästinensische Medienschaffende als Terroristen darstellen“.
Ist auch unbegründet, was das Meir Amit Intelligence and Terrorism Information Center mitteilt? Die Frage konnte uns Reporter ohne Grenzen auf Anfrage nicht direkt beantworten. Das ZDF musste Ende Oktober eingestehen, dass es sich bei dem von der israelischen Armee zuvor durch einen gezielten Angriff getöteten „Kollegen“ der palästinensischen Partnerfirma PMP, mit welcher der Sender seit 1996 zusammengearbeitet hatte, um einen Militärkader der Hamas handelte. Er sei jedoch nicht Mitarbeiter des ZDF und nicht in journalistische Fragen eingebunden gewesen, auch habe es keine Kontakte zwischen ihm und dem ZDF-Studio in Tel Aviv gegeben, hatte der Sender den Vorgang, den die eigenen Nachrichtensendungen und die Chefredakteurin Bettina Schausten zunächst als Tötung eines Unschuldigen skandalisiert hatten, beiseitegeschoben und heruntergespielt. An diesem Freitag sagte Schausten vor dem Fernsehrat des ZDF, für die Zusammenarbeit mit Dienstleistern in Krisenregionen und in Ländern mit autoritären Systemen gebe es künftig strengere Prüfungen und Kontrollen. Mitarbeiter von Dienstleistern würden überprüft. Neben Selbstauskünften und Verpflichtungserklärungen müssten sie Zeugnisse, Lebensläufe und Referenzen angeben. Auch Social-Media-Profile würden unter die Lupe genommen. Zudem erarbeite man ein „Konzept für systematische Background-Checks“, in das auch externe Experten einbezogen seien.
Dass die Beschäftigung eines Hamas-Kaders, die dem ZDF nicht aufgefallen war, kein Einzelfall ist, legt die Untersuchung des Meir Amit Intelligence and Terrorism Information Center dar. Sie führt auch auf, welche „Journalisten“ im Einzelnen für welche internationalen Medien gearbeitet und deren und unseren Blick auf das Geschehen in Gaza mitgeprägt haben.

vor 5 Stunden
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