"Haus zur Sonne" von Thomas Melle: Eine humpelnde Hymne auf das Leben

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Zum ersten Mal im Leben ist es mir passiert, dass ich zu Beginn einer vor Publikum stattfindenden Abendveranstaltung, während der Moderator seine kurze Einleitung vorlas, noch schnell die Kindle-App auf meinem Handy aufmachte, um in dem Roman weiterzulesen, den ich am selben Morgen begonnen hatte. Es war Thomas Melles neues Buch, Haus zur Sonne, und ich steckte bereits in den letzten dreißig Seiten, wo die Spannung eine hypnotische Dichte erreicht, die ein längeres Wegblickenmüssen vom Text schmerzhaft machte. 

Bei dem Roman handelt es sich, zumindest dem Thema nach, um eine Anknüpfung an das 2016 erschienene Die Welt im Rücken, in dem der Autor die Geschichte seiner bipolaren Störung in einer memoirartigen Romanform erzählte. Seither hat sich die Welt ein paar Jahre weitergedreht. Die Hauptfigur, die auch hier wie der Autor heißt, berichtet von der Wiederkehr einer extrem lang andauernden manischen Phase, nach der das eigene Leben auf allen vorstellbaren Ebenen zerstört zurückblieb. Begreiflicherweise denkt der Mann nun an Selbstauslöschung. Die Scham angesichts der hinterlassenen Zerstörungen, die Zermürbung und Entkräftung scheinen nicht mehr zu lindern. Da fällt ihm auf dem Arbeitsamt ein Flyer in die Hände. Ein neuartiges Sterbehilfe-Institut wirbt mit seinen Diensten. Sofort meldet er sich dort, wird aufgenommen, und damit beginnt eine der ungewöhnlichsten Geschichten, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, eine Parabel von mephistophelischer Schläue und Illusionslosigkeit.

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