Nachruf: Den Menschen zugewandt

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Sein Name wirkte wie ein Türöffner, allein der Vorname Heiko war eine Art „Sesam-öffne-dich“. Wer einmal auf den Spuren des langjährigen SZ-Auslandskorrespondenten Heiko Flottau unterwegs war, in Belgrad oder später im Nahen Osten in Ramallah oder Kairo, wurde allein durch seine Empfehlung herzlich aufgenommen. Und zum Tee empfangen, auch von Menschen, die schon aus politischen Gründen genau prüften, wem sie sich anvertrauten. Diese Offenheit spiegelte das Vertrauen wider, das der auffallend leise und enorm hilfsbereite Journalist durch seine zugewandte Art gewonnen hatte. Die Gastgeber hatten ihn als einen kennengelernt, der es genau wissen wollte, aus direkter Quelle, um dann genau zu berichten und die so komplizierten Konflikte erklären zu können.

Dieser Wille zu verstehen zeichnete den 1939 in Wernigerode geborenen Heiko Flottau aus. Von 1978 an prägte er jahrzehntelang die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung als Auslandskorrespondent mit. Zunächst schrieb er aus Belgrad über das damalige Jugoslawien und dann vor allem aus und über den Nahen Osten – als ebenso mutiger wie gründlicher Reporter. Auf die Jahre in Belgrad folgte Kairo, danach eine Zeit in Warschau, schließlich erneut Kairo. Angefangen hatte er seine Laufbahn bei der SZ im Juli 1967 als Leserbriefredakteur. Und bevor er Korrespondent wurde, hatte Heiko Flottau als neues Ressort die Medienseite aufgebaut.

Er erfand die „Munich Times“, das war praktischer

Er war in jeder Hinsicht ein Kenner des Nahen Ostens und wusste, wie zu seinem Abschied von der SZ Ende 2004 berichtet wurde, zum Beispiel unauffällig elegant den unvermeidlichen Obolus bei einem Beamten zu entrichten, um das dringend benötigte Visum für Saddams Irak zu bekommen. Als Korrespondent in Kairo war er es damals irgendwann leid, sich als Reporter der Süddeutschen Zeitung vorzustellen und doch nie verstanden zu werden, egal, wie oft er den Namen wiederholte oder buchstabierte. Pragmatisch beschloss er, seine Visitenkarte für die Region zu ändern, darauf stand dann: Heiko Flottau, correspondent, „Munich Times“.

Seine Reportagen und Analysen über die Kriege am Golf oder den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern waren geprägt von der direkten Anschauung, die für ihn unbedingt dazu gehörte – und dem Wissen, dass ohne Einordnung und Hintergrund solche Situationen nicht zu verstehen sind. Das ist auch in seinen Büchern zu spüren, in denen Flottau stets auch historische Grundlagen vermittelte, um das Verstehen dieser Weltregionen zu erleichtern. Unermüdlich und, weil es um Wahrhaftigkeit ging, auch stur, beharrte er auf Genauigkeit – und war dabei frei von Arroganz gegenüber jedem, der sich neu für die Thematik interessierte. Im Gegenteil, er hatte Freude an der Neugier anderer und knüpfte Verbindungen, ohne je belehren zu wollen.

Wo andere zynisch wurden, blieb er sensibel

Wo manche Reporter angesichts der Brutalität der regionalen Machthaber auch mal zynisch wurden und Distanz aufbauten, zeichnete Heiko Flottau Sensibilität aus. Manchmal hätte er über die Entwicklungen verzweifeln können, genauso wie über die Beharrungskraft von aus seiner Sicht zu einfachen Urteilen über die von ihm geliebten Weltregionen. Dem setzte er seine Beharrlichkeit entgegen. In Berlin, wo er zuletzt lebte, setze er sich in den Jahren für die Integration von Geflüchteten aus dem arabischen Raum ein. Und er schrieb weiter, auch im Ruhestand, so für das Onlineportal Journal21. Es blieb doch noch so viel zu erklären. Nun ist Heiko Flottau nach langer schwerer Krankheit im Alter von 86 Jahren gestorben.

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