Die Zeit läuft. Ab dem Schuljahr 2026/27 greift in Deutschland schrittweise der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an den Grundschulen. So hat es die damalige Regierungskoalition von Union und SPD im Jahr 2021 beschlossen. Bildung ist jedoch Ländersache, und oft müssen die Kommunen das Ganze praktisch umsetzen. In Nordrhein-Westfalen sehen sich mehrere Kommunen am Rande ihrer finanziellen Möglichkeiten und wollen vor Gericht ziehen.
Die Städte Hamm, Düsseldorf und Krefeld werden bei den Verwaltungsgerichten zum Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung klagen, teilte der Städtetag Nordrhein-Westfalen am Freitag mit. Die Klage soll »endlich rechtliche Klarheit« bringen, ob das Land NRW künftig mehr bezahlen muss. Weitere fünf Städte – Aachen, Bochum, Bielefeld, Düren und Dormagen – reichten beispielhaft auch für andere Kommunen in NRW Klagen ein.
Es müsse dringend geklärt werden, ob das Land die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztag selbst übernehme oder den Kommunen die Aufgabe wirksam übertrage, hieß es. Nur so könnten die Städte langfristig für den Ganztagsausbau und -betrieb planen, und zwar mit einer verlässlichen und dauerhaften Finanzierung durch das Land.
»Für die Städte ist das ein echtes Problem«
»Um es ganz klar zu sagen: Wir Kommunen werden alles uns Mögliche tun, um den Rechtsanspruch ab dem kommenden Schuljahr zu erfüllen«, versicherte Marc Herter, Oberbürgermeister in Hamm und Vorsitzender des NRW-Städtetages. Dazu müsse jedoch auch das Land seinen Beitrag leisten. Das Land »drückt sich aber davor, gesetzlich klar zu regeln, wer eigentlich für den Rechtsanspruch auf Ganztag zuständig ist«, kritisierte Herter, »und daran hängt natürlich auch die Finanzierung.« Für die Städte sei das »ein echtes Problem, denn sie stecken ohnehin in einer katastrophalen Finanzlage«, so Herter.
Schon seitdem der Bund den Rechtsanspruch auf den Weg gebracht habe, fürchteten die Kommunen, dass sie für ein Versprechen einstehen sollten, das andere gemacht hätten, hieß es. Die klagenden Städte fordern von der schwarz-grünen Landesregierung nun das im Koalitionsvertrag versprochene Ausführungsgesetz ein. Damit würde nach ihren Angaben den Kommunen die Aufgabe der Ganztagsbetreuung eindeutig übertragen und die Finanzierung geregelt.
»Solange wir uns aber in einer rechtlichen Grauzone bewegen und das Land sich wegduckt, solange ist auch diese verlässliche Finanzierung nicht geklärt«, sagte Herter. »Das kann so nicht so weitergehen.« Dem Rechtsanspruch zufolge muss es ab dem 1. August 2026 für alle Erstklässler ein Ganztagsangebot geben. Sukzessiv greift der Anspruch bis 2029 dann auch für alle Zweit-, Dritt- und Viertklässler. Er sieht vor, dass Grundschülerinnen und Grundschüler an fünf Tagen pro Woche jeweils acht Stunden betreut werden.
Kurzfristig fehlen bundesweit 65.000 Plätze
Laut einem Bericht des Bundesfamilienministeriums fehlen zur Umsetzung des Rechtsanspruchs bundesweit kurzfristig noch bis zu 65.000 Plätze. Ausbaubedarf besteht demnach insbesondere im Westen. In Ostdeutschland gebe es bereits jahrzehntelang gewachsene Strukturen. Zudem treffe der Rechtsanspruch auf nun sinkende Kinderzahlen.
Dem Bericht zufolge rechnen die Verantwortlichen in den Bundesländern damit, dass sie zu Beginn des Rechtsanspruchs »ein (eher) bedarfsdeckendes Angebot vorhalten können«. Im Schuljahr 2023/2024 nahm etwas mehr als die Hälfte der Grundschulkinder ein Ganztagsangebot in Anspruch. Das waren in Zahlen rund 1,9 Millionen Sechs- bis Zehnjährige.
In NRW werden durch den Rechtsanspruch laut Städtetag in den kommenden Jahren voraussichtlich 150.000 zusätzliche Ganztagsplätze benötigt. Im laufenden Jahr hätten bereits 480.500 Kinder ein Ganztagsangebot. Der Städtetag geht davon aus, dass insbesondere in den größeren Städten nahezu alle Eltern ihren Anspruch geltend machen werden. Der Ausbau sei jedoch »überhaupt nicht durchfinanziert«.
Für die bauliche Realisierung des Ganztages haben die Kommunen zusätzliche Bundesmittel bekommen, heißt es vom Städtetag. Doch auch die laufenden Betriebskosten des Ganztagsbetriebs stiegen immens und müssten mit immer höheren Summen von den Städten ausgeglichen werden. »Wenn das Land nicht mit eigenen Mitteln gegensteuert, führt das dazu, dass die Qualität des Ganztags von der kommunalen Kassenlage abhängt«, kritisierte Frank Meyer, Oberbürgermeister aus Krefeld. »Die Leidtragenden sind am Ende die Kinder.«
Vor welchen Herausforderungen einige Kommunen in Deutschland stehen, die den Ganztagsanspruch umsetzen sollen – und in welches Dilemma manche Eltern von Erstklässlern geraten, lesen Sie hier .

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