Dieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Dieses Audio ist derzeit nicht verfügbar.
Trumps Druck, Trumps Tiraden
Die Ukrainediplomatie geht in die nächsten Runden. Im Kanzleramt empfängt Friedrich Merz heute Nato-Generalsekretär Mark Rutte, beide hatten in dieser Woche bereits den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen. Am Nachmittag wird wohl die Koalition der Willigen in einer Videokonferenz darüber sprechen, wie sich der ursprünglich sehr Kreml-freundliche Friedensplan der Amerikaner weiter entschärfen und in eine für Kyjiw akzeptable Form bringen lässt. Gestern hatten Merz, Emmanuel Macron und Keir Starmer mit Donald Trump telefoniert (mehr zum Krieg in der Ukraine hier im SPIEGEL-Spitzengespräch).
Rutte und Merz im Gespräch mit Trump (beim Nato-Gipfel in Den Haag im Juni 2025): Appeasement ist keine Strategie
Foto: Kay Nietfeld / dpaDer US-Präsident hat den Druck zuletzt wieder erhöht. Erst warf er Selenskyj vor, den jüngsten US-Vorschlag nicht gelesen zu haben. Nun zweifelt er (ganz im Sinne Russlands) mal wieder Selenskyjs demokratische Legitimität an, indem er rasche Wahlen fordert (mehr zu Selenskyjs Vorwärtsverteidigung hier ). Die Europäer überzieht Trump derweil seit Veröffentlichung seiner neuen Sicherheitsdoktrin mit Kritik und Verachtung (mehr dazu hier ).
Auch darum wird es für Merz und Co. jetzt gehen. Bisher fällt die Reaktion auf Trumps Tiraden gewohnt hilflos aus. Klar, schlimm, schlimm findet man das alles. Doch jenseits ritueller Empörung fällt den Gescholtenen nicht viel mehr ein, als die Partnerschaft mit den USA zu beschwören und zu versuchen, den Präsidenten mit allerlei Schmeichelei wieder milde zu stimmen. Wo bleibt die starke, die geschlossene Antwort der Europäer? Im Ringen um einen Frieden in der Ukraine? Im Bemühen, sich sicherheitspolitisch von den Amerikanern zu emanzipieren?
Appeasement, schreibt unsere Washington-Korrespondentin Julia Amalia Heyer, sei keine langfristige Strategie. »Es ist bloß eine Taktik, und die garantiert nicht die Sicherheit der Europäer.«
Lesen Sie hier den SPIEGEL-Leitartikel zum Thema:
Und täglich grüßen die harmlosen Europäer: Die neue nationale Sicherheitsstrategie der USA erklärt Europa zum Problemfall – und die Europäer reagieren wie immer: mit Fassungslosigkeit. Doch wer sich ewig wundert, wird politisch irrelevant.
Pallas Plan für die Bahn
Evelyn Palla, seit Oktober neue Chefin der Deutschen Bahn, weckt enorme Erwartungen. Man werde das krisengeplagte Unternehmen »auf links« drehen, hat sie angekündigt und für 2026 »das Jahr des großen Umbaus« ausgerufen. Die Latte liegt also hoch, wenn Palla heute ihre Reformpläne öffentlich vorstellt.
Bahn-Chefin Palla im ICE: »Das Jahr des großen Umbaus«
Foto: Christoph Soeder / REUTERSEin bisschen was ist bereits durchgesickert: Von derzeit 43 Posten im Topmanagement soll gut die Hälfte wegfallen. Dass ausgerechnet die Kürzungspläne für die Führungsebene bekannt wurden, war sicher kein Zufall. Wenn klar ist, dass auch ganz oben gespart wird, dann lässt sich ein weiterer Stellenabbau in der Fläche eher rechtfertigen. Ohne den wird es kaum gehen, wenn der Staatskonzern »schneller, schlanker und wirtschaftlicher« werden soll, wie es CDU-Verkehrsminister Patrick Schnieder fordert.
Der große Umbau aber wird dauern. Damit auch die leidgeprüften Bahnkunden spüren, dass sich etwas ändert, hat Schnieder der Bahn-Chefin sogenannte Sofortprogramme ins Aufgabenbuch geschrieben: für mehr Sicherheit auf den Bahnhöfen, mehr Sauberkeit, Komfort und bessere Information. Weil aber die Fahrgäste auch an sauberen Bahnsteigen ungern auf verspätete Züge warten, muss Palla vor allem etwas für mehr Pünktlichkeit tun.
Nur: Die marode Infrastruktur saniert sich nicht von heute auf morgen, dazu kommen andere Probleme, die die Züge ausbremsen (mehr dazu hier ). Kein Wunder, dass Palla die Erwartungen an der entscheidenden Stelle lieber dämpft. Bei der Pünktlichkeit werde es »erst mal nicht besser, so ehrlich müssen wir sein«, räumte sie jüngst ein. So kann sie selbst ein wenig mehr Zuverlässigkeit am Ende als Erfolg verkaufen. »Jetzt muss sich zeigen, ob neue Strukturen wirklich die alten Probleme lösen«, sagt unser Bahnexperte David Böcking aus dem Wirtschaftsressort. David wird heute über Pallas Pläne berichten.
Mehr Hintergründe zur Bahn-Chefin hier: Evelyn Palla baut unter Einsturzgefahr die Deutsche Bahn um
Schwarz-rote Streitroutine
Ja, war denn schon wieder Koalitionsausschuss? In der Tat, nur zwei Wochen nach der letzten Nachtsitzung (Rentenstreit!) hockten die schwarz-roten Koalitionsspitzen gestern Abend schon wieder im Kanzleramt zusammen. Alles Routine, heißt es, wie vereinbart treffe man sich häufiger, um in Ruhe über große Themen reden zu können (diesmal: Heizungsgesetz, private Altersvorsorge, Infrastruktur). Soll keiner sagen, dass die Führungsrunde sich nur zum Krisengipfel trifft.
Kanzleramt in Berlin (am Mittwochabend): Es hakt schon wieder
Foto: Kay Nietfeld / dpaDumm nur, dass sich im Vorfeld einmal mehr Ärger anbahnte. Eigentlich sollte die Bürgergeldreform gestern Morgen durchs Kabinett, dann aber meldeten die Unionsminister Alexander Dobrindt und Katherina Reiche gegen den Entwurf von SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas Vorbehalte an. Es geht um Details bei den Kürzungen für Leistungsbezieher, die Termine im Jobcenter nicht wahrnehmen.
Der Kanzler versuchte eilig, den Streit kleinzureden (mehr dazu hier). Aber es hilft nichts: Wieder muss ein vermeintlich geeintes Projekt nachverhandelt werden, die Schuld dafür weisen sich die Bündnispartner gegenseitig zu. Wie kann das passieren? Spielt wirklich jemand falsch im Kabinett? Oder wird nur nicht genug miteinander geredet?
Heute Morgen soll es eine Pressekonferenz zum Koalitionsausschuss geben. Eigentlich, so war zu hören, wollten Friedrich Merz, Markus Söder, Lars Klingbeil und Bärbel Bas die Gelegenheit nutzen, um zum Jahresende die Erfolge der Regierung anzupreisen. Nun müssen sie erklären, warum es schon wieder hakt.
Mehr Hintergründe hier: Die Ungeduld des Kanzlers wird uns teuer zu stehen kommen
Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz
Noch mehr Rätsel wie Viererkette, Wordle und Paarsuche finden Sie bei SPIEGEL Games.
Verlierer des Tages…
…ist Marco Rubio. Der US-Außenminister hat verfügt, dass auf offiziellen Dokumenten seiner Behörde künftig wieder die Schriftart Times New Roman genutzt wird und nicht mehr die von seinem Vorgänger Antony Blinken eingeführte Calibri-Schrift. Die Anordnung ist Teil des Kulturkampfes der Trump-Regierung gegen vermeintliche linke Wokeness. Blinken hatte Calibri eingeführt, um die Barrierefreiheit zu verbessern. Die schnörkellose Schrift gilt als besser zugänglich für Menschen mit Seh- oder Leseschwäche.
US-Außenminister Marco Rubio: »Rückkehr zu Tradition«
Foto: Win McNamee / Getty ImagesRubio kümmert das nicht. Er spricht von einer »Rückkehr zu Tradition« sowie »Anstand und Professionalität«, Calibri wirke im Vergleich zur Serifenschrift Times New Roman zu informell. Protest aus dem eigenen Haus muss er nicht fürchten: Die Abteilung für Vielfalt und Inklusion, die sich seinerzeit für Calibri starkgemacht hatte, hat er längst abgeschafft.
Die jüngsten Meldungen aus der Nacht
US-Militär beschlagnahmt Öltanker vor Venezuela – Caracas beklagt »dreisten Raubüberfall«: Soldaten seilen sich vom Helikopter ab und übernehmen mit gezückten Waffen die Kontrolle über den Riesentanker: Ein Video soll zeigen, wie die USA vor Venezuelas Küste vorgehen. Die Regierung in Caracas reagiert erbost.
Friedensnobelpreisträgerin Machado ist in Oslo angekommen: Erstmals seit knapp einem Jahr ist die venezolanische Oppositionsführerin María Corina Machado öffentlich aufgetreten: Die Friedensnobelpreisträgerin ist in Oslo – trotz größter Gefahren.
Trumps »Gold Card« für reiche Einwanderer ist da: Reiche Ausländer können sich ab sofort ein Aufenthaltsrecht in den USA kaufen: Nach erfolgreicher Überprüfung gibt es für eine Million Dollar die »Trump Gold Card« – stilecht mit dem Konterfei des Präsidenten.
Heute bei SPIEGEL Extra: Was Ihre Nase im Winter braucht
[M] DER SPIEGEL; Foto: Luciano Spinelli / Stocksy
Sie tropft, sie juckt, sie nervt wieder: Warum Nasen auch ohne Schnupfen laufen und natürlich die Frage aller Fragen: Hochziehen oder Schnäuzen?
Kommen Sie gut in den Tag.
Herzlich,
Ihr Philipp Wittrock, Autor im SPIEGEL-Hauptstadtbüro

vor 1 Tag
1







English (US) ·