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1. Wie soll das Baby heißen?
Wohl kaum ein Gesetz der vergangenen Jahre hat so polarisiert wie das sogenannte »Heizungsgesetz« des ehemaligen Wirtschaftsministers Robert Habeck. Es sollte die deutsche Wärmetechnik in Einklang mit den Klimazielen bringen. Der Branche und Verbrauchern, die gern weiter Gas geben würden, mutete es einiges zu. Vor allem die Union würde es deswegen gern entkernen.
Nach stundenlangen Verhandlungen gebar der Koalitionsausschuss, der sich damit befasste, allerdings wenig mehr als einen neuen Namen (hier mehr ). »Es wird künftig Gebäudemodernisierungsgesetz heißen«, sagte Friedrich Merz. Können Deutschlands Eigentümer also bald wieder fleißig neue Öl- und Gasheizungen einbauen? Schluss mit dem vermeintlichen »Wärmepumpen-Zwang« und zurück zur guten alten fossilen Welt? Das weiß niemand – erst bis Ende Januar sollen die Eckpunkte des neuen Täuflings ausgearbeitet werden. (Lesen Sie hier mehr.)
Mein Kollege Henning Jauernig wittert Etikettenschwindel: »Der Bundeskanzler hält das Land weiter hin, sagt zum wiederholten Male, was bereits im Koalitionsvertrag steht«, urteilt Henning.
Der Kriechgang überrascht ihn nicht: »Von der EU kommen harte Vorgaben. Deutschland muss bis Mai 2026 einen Plan vorlegen, wie der gesamte Gebäudebestand bis 2050 klimaneutral sein kann. Schon jetzt hinkt der Gebäudesektor den Klimazielen hinterher.«
Bundeskanzler Merz sitzt also womöglich in einer Falle, die er sich selbst gebaut hat. Entfernt sich sein Gesetz allzu weit von den Klimaverpflichtungen Deutschlands, würde es womöglich vom Verfassungsgericht kassiert. Egal, was für ein schicker Name am Ende drübersteht.
Lesen Sie hier mehr: Wie es mit dem Heizungsgesetz jetzt weitergeht
2. Ich kaufe Polen, Italien, Ungarn und Österreich
Auf den täglichen Irrsinn, der aus den USA über den Globus schwappt, lässt sich nur mit Entsetzen oder Galgenhumor reagieren? Jüngstes Beispiel: die »Strategie zur nationalen Sicherheit«, die von der Bromance Donald-Wladimir durchzogene Abrechnung der US-Regierung mit Europa. Wie jetzt bekannt wurde, gibt es in dem Papier einen bislang geheim gehaltenen Teil. Darin stehen neue, irre Details: Demnach möchte Donald Trump vier Länder aus der EU auslösen, nämlich Polen, Italien, Österreich und Ungarn (hier mehr dazu ).
Die erste Reaktion auf diese Nachricht: Hahahahaha! Doch dann sickert es ein. Hat die italienische Staatschefin Georgia Meloni nicht Trump noch vor seinem Amtsantritt besucht? Und flirtet Ungarns Premierminister nicht öffentlich mit Putin? Und schon ertappe ich mich bei der Frage: Ist der Verschwinde-Trick technisch überhaupt möglich?
Klar ist: Donald Trump und Wladimir Putin wollen Europa spalten – darum geht es auch in der neuen SPIEGEL-Titelstory . Meine Kollegen Francesco Collini, Oliver Das Gupta und Jan Puhl sind der Frage nachgegangen, ob vier EU-Länder US-Partner werden .
»Italien, Österreich und Polen sind wirtschaftlich und politisch tief verwurzelt in der EU, sie werden sich kaum abwerben lassen. Warschau stört sich dazu aus historischen und geopolitischen Gründen besonders an Trumps nachgiebiger Haltung gegenüber Russland«, sagt Jan. Nur um Ungarn sorgt er sich: »Premier Orbán baut die Demokratie zurück und hat sein Land in der Außenpolitik europaweit zum Paria gemacht.“
Ich flüchte mich derweil einmal mehr in Galgenhumor. Ok, Mr. President, Sie können Ungarn haben. Wir nehmen dafür Kalifornien. Deal?
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Trumps Lieblingseuropäer
Ein Gala-Dinner mit Ex-Finanzminister Christian Lindner, ein Ticketpreis von knapp 13.000 Euro und ein prominenter Speaker, der vergangenes Jahr als Abzocker auffiel: Die »Immo Power Experience«, zu der die Recherche meine Kollegin Kristina Gnirke und meinen Kollegen Henning Jauernig führte, wirkte wie aus einem Helmut-Dietl-Film entsprungen.
Die beiden haben im Milieu halbseidener Immobilien-Influencer recherchiert. Deren berühmtester – manche sagen auch berüchtigtster – Vertreter, Tomislav Primorac aka »Immo Tommy«, arbeitet offenbar an einem Comeback. Vor einem Jahr hatte der SPIEGEL aufgedeckt, dass Kunden sich von ihm getäuscht sahen. (Lesen Sie hier mehr. )
Der Immo-Tommy vorgeworfene Trick: Ramschimmobilen überteuert und mit übertriebenen Renditeversprechen zu verkaufen und abstrus hohe Provision zu kassieren. Diese Masche, so fanden Kristina und Henning heraus, macht inzwischen wohl auch ohne ihn Karriere. Sie recherchierten nach, wie eine andere Firma mit einem ganzen Netzwerk von Partnern nach offenbar gleicher Methode Kunden und Banken in unprofitable Geschäfte führt. (Lesen Sie hier mehr. )
»Es ist erschreckend, wie offenbar immer noch viele Anbieter Renditen mit Immobilien versprechen und mit perfiden Tricks absahnen«, sagt Kristina. Gerade unerfahrene Kunden würden sich von vermeintlichen Rund-um-Sorglos-Paketen anlocken lassen. »Tatsächlich sitzen sie dann auf Ramsch-Objekten mit miserablen Finanzierungen und die Verantwortlichen sind schwer haftbar zu machen. Mancher Betroffene steht vor der Privatinsolvenz.«
Lesen Sie hier mehr: Lebt die Masche von Immo Tommy weiter?
Meine Lieblingsgeschichte heute: Sarkozys Beschwerdeschrift
»Als ehemaliger Präsident ging er ins Gefängnis, als Schriftsteller wurde er nur 20 Tage später wieder entlassen« – so beschreibt mein Kollege Arno Frank die rasche Verwandlung des Nicolas Sarkozy. Der ehemalige französische Präsident war 2025 zu fünf Jahren Haft verurteilt worden, weil er illegal Wahlkampfgeld aus Libyen angenommen haben soll.
Absitzen musste er davon nur 20 Tage. Die nutzte er für eine umfassende Beschwerdeschrift: Bett zu hart, Wasserdruck zu niedrig, Baguettes zu weich – auf 213 Seiten mäkelt der Mann und ergeht sich in Selbstmitleid.
Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy bei einer Signierstunde in Paris
Foto: Bertrand Guay / AFPArno kämpft sich gerade durch die Schrift und wundert sich: »Befremdlich findet diesen Wandel in Frankreich kaum jemand. Im Gegenteil. So groß war die nationale Neugier auf sein »Tagebuch eines Gefangenen«, dass die Vorbestellungen dafür sogar jene des neuen »Asterix«-Abenteuers übertrafen«, sagt er.
Das Buch erscheint nicht bei einer obskuren Klitsche, sondern bei Fayard, der ruhmreichen Heimat von Michel Houellebecq, Ferdinand de Schirach und der legendären »Fantômas«-Reihe aus den Zwanzigerjahren. Heute gehört der Verlag zum Imperium des rechtsextremen Milliardärs Vincent Bolloré und wurde entsprechend umgebaut.
Das passt gut zum politischen Sprengstoff, den Sarkozy ebenfalls in seinem Buch platziert. Er plädiert sehr deutlich dafür, dass seine Partei der Republikaner sich der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National (RN) annähern sollte.
Lesen Sie hier mehr: Nicolas Sarkozy motzt über Zeit im Gefängnis und lobt Marine Le Pen
Was heute weniger wichtig ist
Chandan Khanna / AFP
Hits zum Vergessen: Um die 280 Songs hat Taylor Swift, 35, bis dato veröffentlicht. Davon ihre persönlichen Top Fünf zu nennen, fällt ihr aber offenbar schwer. Late-Night-Moderator Stephen Colbert, 61, stellte Swift die Frage, die schon andere Künstlerinnen und Künstler in seiner Show beantwortet hatten – darunter Dolly Parton, Elton John, Paul Simon und Bruce Springsteen. Keine leichte Aufgabe, Swift schaffte nur zwei Nominierungen: »Oh wow, oh mein Gott, okay«, sagte sie, »das ist sehr viel Druck.«
Mini-Hohlspiegel
Aushang einer Kirchengemeinde in Berlin
Rentenreform: Lebenserwartung oder Beitragsjahre? Jugendliche sorgen für Rente vor. Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.
Helena Baumeister / DER SPIEGEL
Wenn Sie »Good Bye, Lenin!« mochten, gehen Sie ins Kino. Dort läuft seit heute »Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße«. Charly Hübner spielt darin den Ostberliner Videothekar Michael Hartung, der kurz vor dem 30. Jahrestag der Wiedervereinigung unfreiwillig nationale Berühmtheit erlangt.
Die melancholische Komödie ist das letzte Werk von Regisseur Wolfgang Becker, der auch »Good Bye, Lenin!« drehte. Schon zu Beginn der Arbeiten zu »Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße« war Becker unheilbar krank, niemand wusste, ob er sie durchstehen würde. Doch Becker schaffte es, er starb drei Wochen nach Ende der Dreharbeiten.
Mein Kollege Lars-Olav Beier hat Becker noch einmal gewürdigt. Schon in den Neunzigerjahren lernte er den Regisseur kennen und erlebte ihn als unerbittlichen Perfektionisten, der über eine enorme Allgemeinbildung verfügte. Becker wusste zu fast jedem Thema etwas Kluges zu sagen. Lars-Olav hat sich auch »Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße« im Kino angeschaut: »Becker wurde von seinem Team durch die Dreharbeiten getragen. Diese Wärme spürt man beim Sehen des Films, sie überträgt sich auf das Kinopublikum .«
Einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Michail Hengstenberg, Autor im Kulturressort

vor 23 Stunden
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