Alltägliche Formen von Sexismus können langfristige gesundheitliche Folgen für Frauen haben, weit über den unmittelbaren Schock einer Belästigung hinaus. Das legen neue Forschungsergebnisse nahe: Selbst subtile Benachteiligungen können körperliche und psychische Auswirkungen haben.
Während die Frauenrechtsbewegung bislang weltweit Erfolge verbucht hat, warnen Experten davor, dass die Gleichstellung vielerorts stagniert oder sogar rückläufig ist. So bleibt der Gender Pay Gap bestehen, und die Gewalt gegen Frauen und Mädchen nimmt weltweit zu. Nach Schätzungen erlebt nahezu jede dritte Frau körperliche oder sexuelle Gewalt.
Neben offener Diskriminierung prägen vor allem versteckte Formen von Sexismus den Alltag vieler Frauen, etwa herablassende Kommentare oder sogenannter wohlwollender Sexismus, der traditionelle Geschlechterrollen als angeblich natürliche Eigenschaften darstellt. Forschende betonen, dass diese subtilen Mechanismen stereotype Denkmuster festigen und die gesellschaftliche Stellung von Frauen untergraben.
Eine »Narbe im Gehirn«
Eine groß angelegte internationale Studie , veröffentlicht in der Fachzeitschrift »Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America«, analysierte mehr als 7800 Gehirnscans aus 29 Ländern. Die Forschung liefert nun Hinweise darauf, dass gesellschaftliche Ungleichheit messbare Veränderungen im Gehirn von Frauen verursacht. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Frauen, die in Ländern mit höherer Geschlechterungleichheit leben, eine geringere kortikale Dicke in Hirnregionen aufweisen, die mit emotionaler Kontrolle, Resilienz und stressbedingten Störungen wie Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen verbunden sind.
Die Forschenden sprechen bildlich von einer »Narbe im Gehirn«, die die Ungleichheit hinterlasse.
Der Grund, warum sich das Gehirn infolge des Stresses von Ungleichheit verändern kann, liegt in einem Prozess namens Plastizität – der Fähigkeit des Gehirns, sich abhängig von Erfahrungen oder Lernen anzupassen. Chronischer Stress, der durch benachteiligende gesellschaftliche Strukturen entsteht, kann diese Anpassungsfähigkeit beeinträchtigen. Auffällig ist, dass die Unterschiede in Ländern mit größerer Gleichberechtigung deutlich geringer ausfielen. Bei Männern traten ähnliche Veränderungen nur in den am stärksten ungleichen Gesellschaften auf.
Struktureller Sexismus erschwert Frauen den Zugang zu Ressourcen wie fairer Bezahlung oder sicherer Arbeitsumgebung und erhöht zugleich die Belastung durch Gefahren wie häusliche Gewalt und chronischen Stress.
Auch Männer tragen Nachteile: Höhere Einkommen oder geringere Hausarbeit täuschten darüber hinweg, dass traditionelle Männlichkeitsnormen riskantes Verhalten, Gewalt, Substanzmissbrauch und die Vermeidung von medizinischer Hilfe fördern können. Eine Meta-Analyse mit mehr als 19.000 Männern zeigt zudem, dass Männer, die dominante, statusorientierte und hypersexualisierte Rollenbilder verinnerlichen, häufiger psychische Probleme entwickeln. Sexistische Einstellungen seien daher »nicht nur eine gesellschaftliche Ungerechtigkeit«, schreiben die Forschenden, sondern schaden auch der psychischen Gesundheit derjenigen, die sie vertreten.

vor 1 Tag
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