Was lange währt, wird – endlich – eine Anklage, mit der manche nicht mehr gerechnet haben: Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin klagt die frühere, fristlos gekündigte Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), Patricia Schlesinger, wegen Untreue in 26 Fällen an. Mit ihr angeklagt werden der frühere Vorsitzende des Verwaltungsrats (13 Fälle), die einstige Juristische Direktorin (sechs Fälle) und der ehemalige Verwaltungsdirektor (fünf Fälle). Sie sollen den Sender „in wechselnden Konstellationen teilweise mittäterschaftlich“ geschädigt haben, in sieben Fällen sei von einer „gewerbsmäßigen Begehungsweise“ und einem besonders hohen Schaden auszugehen.
Prämiensystem für 933.505 Euro
Da gab es ein neu eingeführtes, unzulässiges Prämiensystem, das den RBB 933.505 Euro kostete. Die illegitimen monatlichen Zulagen für den ARD-Vorsitz, den der RBB unter Schlesinger turnusgemäß innehatte, beliefen sich auf 122.400 Euro, die Vorruhestandsregelung für den früheren Chefredakteur kostet den RBB laut Staatsanwaltschaft 662.605 Euro, die Freistellung des ehemaligen Mitarbeiters einer Tochterfirma dreimal 12.275 Euro. Zudem habe Schlesinger dem RBB fälschlich die Bewirtung von Gästen mit 4871 Euro und eine Privatreise mit 1650,52 Euro in Rechnung gestellt.
Mit diesen Anklagepunkten bestätigt die Generalstaatsanwaltschaft etliche Vorgänge des sogenannten „Schlesinger-Skandals“ als potentiell strafwürdig, über die die Presse im Sommer 2022 berichtete und die im August vor drei Jahren zum Rücktritt Schlesingers als ARD-Vorsitzende und RBB-Intendantin und zu ihrer fristlosen Kündigung führten.
Die Anklage zeigt, dass hinter den Vorgängen ein System steckte, das darauf ausgerichtet war, die vorgesehenen Checks and Balances – etwa einen Verwaltungs- und einen Rundfunkrat, die die Intendanz kontrollieren – auszuspielen und sich selbst zu bereichern. Mit diesem Gebaren haben Schlesinger und ihre Truppe den RBB an den Rand des Ruins getrieben und das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nachhaltig erschüttert.
An der Spitze eines Senders, dessen Auftrag die „Grundversorgung“ mit Information, Kultur, Bildung und Unterhaltung ist und der von allen zwangsweise bezahlt wird, geht es – so hatte man den Eindruck – drunter und drüber, und niemand gebietet dem Einhalt, bis – die Presse die Vorgänge ans Tageslicht holt (der „Business Insider“ vorneweg), die Politik als Rechtsaufsicht tätig wird, die Bundesländer Berlin und Brandenburg einen neuen Staatsvertrag für den RBB aufsetzen und, endlich, die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt.
Warum nicht gleich so? Weil, so führt die Generalstaatsanwaltschaft Berlin an, man Dokumente und Daten in rauen Mengen auswerten musste – 474 Gigabyte. Das hat gedauert, was auch den bisherigen Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Sebastian Büchner, ein wenig ärgern dürfte. Ende Oktober gab er seinen Posten ab und kehrte als Oberstaatsanwalt zurück in den Ermittlungsbereich. In den vergangenen drei Jahren musste er Journalisten, die nach dem Fall fragten, ein um das andere Mal vertrösten. Kaum ist sein Nachfolger da, kann der die frohe Botschaft verkünden: Habemus accusatio! Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe, die Unschuldsvermutung gilt, auf den Prozess sind wir gespannt.

vor 23 Stunden
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