Dachau hat seit dem 19. Jahrhundert eine lange Tradition als Kunststadt, Kobell, Dillis, Spitzweg haben dort gemalt, in den drei Jahrzehnten vor der Wende zum 20. Jahrhundert kamen dann Leibl und Zügel, später bildete sich eine Künstlerkolonie rund um Dill, Langhammer und Adolf Hölzel und vielen Gastmalern aus ganz Europa, die sich für die Altstadt, das bäuerliche Hinterland und das Dachauer Moos begeisterten. 1903 wurde der Museumsverein gegründet, die Sammlung von Kunst und kulturhistorischen Objekten im Besitz von Stadt und Landkreis, wurden lange im Dachauer Schloss gezeigt.
Eine Vorläuferin der Impressionisten war Ivana Kobilca (1861–1926), die auch kommerziell erfolgreich war. Hier das Bild „Niederländerin“ von 1886Nationalgalerie Sloweniens/Janko DermastjaIn den Siebzigern wurden die Aktivitäten in einem Zweckverband Dachauer Galerien und Museen gebündelt. Der betreibt heute das Bezirksmuseum und die Gemäldegalerie in unmittelbarer Nachbarschaft in der Altstadt, aus Geldmangel wurde im Mai ein dritter Standort, die Neue Galerie, geschlossen. Kein einfaches Pflaster, zumal der Verweis auf die Tradition der Künstlerkolonie immer wieder als Imagewaffe gegen das nicht vergehen wollende Erbe des Nationalsozialismus in Stellung gebracht wurde. Künstlerstadt gegen KZ-Gedenkstätte, da sind Verwerfungen programmiert. Derzeit läuft zusammen mit dem Bezirk Oberbayern die Planungsphase für ein „Museumsforum Dachau“, das die bestehenden Häuser modernisieren und um ein Arbeits- und Industriekulturmuseum Oberbayern erweitern soll. Als Standort sind die denkmalgeschützten Gebäude der ehemaligen MD-Papierfabrik zu Füßen der Altstadt ausgemacht.
Dicke Bretter für Gründungsdirektorin Nina Möllers, die vom gescheiterten Münchner Biotopia-Naturkundemuseum nach Dachau wechselte. Und auch die Leiterin der Gemäldegalerie Laura Cohen ist noch nicht lange im Amt. Sie bespielt im zweiten Stock auf 300 Quadratmetern über der Dauerausstellung ein in Deutschland kaum bekanntes Terrain – slowenischen Impressionismus. Anfang des Jahres hat das Wiener Belvedere slowenische Malerei von 1848 bis 1918 gezeigt. Nun macht Dachau den ersten Aufschlag in Deutschland. Aus der Slowenischen Nationalgalerie in Ljubljana sind 44 Bilder gekommen, umgekehrt hat Cohen diverse Bilder in der Dauerausstellung mit dem Hinweis versehen, sie korrespondierten mit Exponaten der Sonderausstellung – nicht ideal, fordert der direkte Vergleich doch einen Wechsel zwischen den Stockwerken. Da ist man mit dem Katalog besser bedient.
Auf dem Weg zur nationalen Identität? Rihard Jakopič malte „Zwischen Pinien (Eine Brise)“ im Jahr 1905Nationalgalerie Sloweniens/Janko DermastjaSlowenisch hieß um die vorletzte Jahrhundertwende k. u. k., denn das Herzogtum Krain war ein Kronland des Habsburgerreichs. Jenseits von Adel und Kirche sah es mit Aufträgen für bildende Künstler schlecht aus. Also gingen viele nach Wien oder besser gleich in die damals viel modernere Kunststadt München, um dort von den Realisten zu lernen. Viele besuchten die 1891 gegründete private Malschule eines Landsmanns in der Georgenstraße: Anton Ažbe. Eine extravagante Erscheinung, stets mit Virginia im Mundwinkel, bestens vernetzt und mit einem untrüglichen Auge ausgestattet – häufig sollen Kollegen ihn gebeten haben, ihre Bilder zu korrigieren. Unter seinen Schülern auch Namen wie Kandinsky, Jawlensky und die Gräfin Reventlow. Alle soll er sie mit dem Mantra „Nur zu! Nur fest!“ zu einem beherzten Farbauftrag animiert haben.
Zu Ažbes Freunden zählten Max Liebermann, Fritz von Uhde und Heinrich von Zügel, die wiederum ihn und seine Schüler der Dachauer Künstlerkolonie zuführten, die von Künstlern aus ganz Europa besucht wurde. Kein Wunder, dass es zu wechselseitiger Beeinflussung kommt, zu Motivparallelen – wobei es in Slowenien gewiss nicht an pittoresken Motiven gemangelt hat. Zum Beispiel im „slowenischen Barbizon“, dem Städtchen Škofja Loka in der Oberkrain (zu deutsch Bischoflack, gehörte zum Hochstift Freising). In Kooperation mit der Slowenischen Nationalgalerie in Ljubljana sind nun 44 Bilder nach Dachau gekommen. Eine großzügige Geste, denn der allergrößte Teil war noch nie in Deutschland zu sehen, und er steht in Slowenien hoch im Kurs: Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts schrieb man den Impressionisten zu, eine nationale Kunst und den Ausweis einer genuin slowenischen Identität geschaffen zu haben.
So gut war der Lehrer: Anton Ažbes „Alter Mann“ (1905)Nationalgalerie Sloweniens/Janko DermastjaZu ihren Wegbereitern zählt neben Ferdo Vesel auch Ivana Kobilca, in der Ausstellung etwa mit dem in Blau- und Violetttönen gehaltenen Porträt einer „Pariserin mit einem Brief“ (1891–1892) zu sehen. Als Frau durfte sie in Wien nicht die Akademie besuchen, als Autodidaktin besuchte sie eine Münchner Malschule, schaffte es, mit Porträt und Genrebildern ökonomisch erfolgreich zu sein. Den slowenischen Impressionismus vertreten als „Die glorreichen vier“ Maler, die zwischen 1867 und 1872 geboren wurden: Rihard Jakopič, Matija Jama, Ivan Grohar und Matej Sternen. Sie hatten die Franzosen mit Verspätung studiert, so wie das auch andere Maler aus anderen Ländern taten. Von Ažbe animiert, fanden sie in Dachau und seinem bäuerlichen Hinterland mehr als genug Motive für Freilichtmalerei, leere Landschaft, die träge mäandernde Amper, Biergärten, das Dachauer Moos.
Am engsten mit den Dachauern verknüpft ist wohl Matija Jama, der sich in Haimhausen niederließ und deutlich von Dachauern wie Fritz von Uhde, Ludwig Dill, Adolf Hölzel und Leo Putz beeinflusst war. Matej Sternen, der viele Winter in München verbringt, wird immer mutiger, klatscht die Farbe mit dem Paletten-Messer als pastose Reliefs auf die Leinwand, manche seiner Landschaftsbilder erinnern an Lovis Corinth. „Der rote Sonnenschirm“ (1904 –1906) zeigt Sternens Frau mit Hut im Sonntagskleid. Ein konventionelles Sujet, mit dem Sternen aber durch den dominierenden Sonnenschirm, dessen Schatten das Gesicht der Porträtierten rötet, den Realismus seines Lehrers hinter sich lässt.
Verbrachte den Winter häufig in München: Matej Sternen (1870–1949): „Am Waldrand“ von 1906Nationalgalerie Sloweniens/Janko DermastjaDoch nach den Impressionisten bleibt die Kunst nicht stehen. Laura Cohen hat einen Bruch eingebaut, indem sie als Schlusspunkt Bilder von Zoran Mušič (1909–2005) zeigt. Der Begründer der slowenischen Moderne wurde 1944 ins KZ Dachau verschleppt, zeichnete Verhungernde und Leichenberge. Nach dem Krieg ließ er sich Venedig nieder, nahm sechsmal an der Biennale von Venedig teil, dreimal an der Documenta.
In seinem Werk kommt er auch Jahrzehnte später auf das Erlebte zurück. „Wir sind nicht die Letzten“ (1974, nicht in der Ausstellung zu sehen) zeigt die angedeutete Verästelung verrenkter Gliedmaßen von Ermordeten wie ein pflanzliches Motiv. „Der Giudecca-Kanal“ (1980), tausendfach gemalt, ist bei Mušič ein Schemen in Sepia, im Vordergrund liegt etwas undefinierbar Verwobenes auf dem Pflaster, Fischnetze vielleicht, womöglich aber ein Echo unauslöschlich eingegrabener Erinnerungen. In die „Kathedrale“ (1984) rieselt nur ganz zaghaft Licht durch die Rosette in den Kirchenraum, das beklemmende „Selbstporträt“ (1990) in düsterem Braun vor schwarzem Halo hat weiße Lichtflecken auf der rechten Kopfseite und auf den übereinandergelegten Händen. Wie Zoran Mušič den verstörenden Schlusspunkt der Ausstellung setzt, ist eine Botschaft, auch über Dachau hinaus.
Wege des Impressionismus. Die Slowenische Moderne und Dachau. Gemäldegalerie Dachau, bis 12. April 2026. Der Katalog kostet 22 Euro.

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