Landtagswahl in Baden-Württemberg: So soll Özdemirs Aufholjagd noch gelingen

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Das Forum am Schlosspark Ludwigsburg dürfte an diesem Wochenende zum Paralleluniversum werden. Weniger als 100 Tage vor der Landtagswahl am 8. März wollen sich die baden-württembergischen Grünen noch einmal drei Tage einschwören. Offiziell muss ein Wahlprogramm verabschiedet werden, tatsächlich dürfte es aber eine große Cem-Özdemir-Show werden.

Gleich drei Auftritte sind für den Spitzenkandidaten der Grünen auf der großen Bühne geplant, zu Beginn gemeinsam mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Es soll eine symbolische Staffelstabübergabe sein, doch ob die auch real gelingt, scheint mehr als fraglich.

In den Umfragen liegen die Südwest-Grünen bei 20 Prozent und damit neun Punkte hinter der CDU von Herausforderer Manuel Hagel. Selbst die AfD konnte in jüngsten Umfragen an den Grünen vorbeiziehen. Den Grünen droht der Verlust ihrer einzigen Staatskanzlei in der Republik.

In Ludwigsburg soll dieser Gedanke gar nicht erst aufkommen, doch bei Özdemirs Strategen dürften die Sorgen wachsen. Intern hatte man darauf gehofft, dass sich die Umfragen zum Jahreswechsel langsam verbessern würden, um dann im Endspurt ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Özdemir und Hagel inszenieren zu können.

41

Prozent wünschen sich Cem Özdemir als Ministerpräsidenten, deutlich mehr als Manuel Hagel.

Denn im direkten Vergleich schneidet Özdemir, der sich als Grünen-Chef und Bundeslandwirtschaftsminister über Jahre einen Namen gemacht hat, deutlich besser ab als der junge CDU-Landeschef. Würde der Ministerpräsident direkt gewählt, entschieden sich 41 Prozent für Özdemir, nur 17 Prozent für Hagel. Özdemirs Popularität ist das größte Pfund für die Grünen und so unterwirft sich die Partei im Wahlkampf völlig ihrem Spitzenkandidaten.

Das zeigt sich vor allem beim Grünen-Programm, das sich teils wie Versatzstücke aus altbekannten Özdemir-Reden liest. Grünen-untypisch beginnt es dann auch nicht mit Klimaschutz, sondern mit einem langen Wirtschafts-Kapitel. Seit Wochen tingelt Özdemir von Unternehmen zu Unternehmen und sucht den Schulterschluss mit der Wirtschaft.

Es geht um Wirtschaft, Wirtschaft und nochmals Wirtschaft.

Spitzenkandidat Cem Özdemir über seinen Wahlkampf

„Es geht um Wirtschaft, Wirtschaft und nochmals Wirtschaft“, sagte Özdemir bereits bei seiner Nominierung als Spitzenkandidat und geht dafür auch auf Distanz zur eigenen Parteiprogrammatik. Anders als die Bundespartei hält er das Verbrenner-Aus bis 2025 „für nicht erreichbar“. Quasi als Dank wird in Ludwigsburg auch der Konzernbetriebsratschef von Daimler Truck, Michael Brecht, als Redner erwartet. 

Und auch sonst ist das Grünen-Programm voll auf Özdemir-Linie. Das Wahljahr wird dort augenzwinkernd immer „2Ö26“ geschreiben. Ebenfalls noch vor dem Kapitel zum Klima findet sich mit der Bildung Özdemirs Herzenthema. Vor allem die Forderung eines verpflichtenden letzten Kita-Jahres trägt seine Handschrift. In anderen Bundesländern hatten die Grünen solche Forderungen von der CDU in der Vergangenheit als „verfassungswidrig, unausgegoren und finanziell abenteuerlich“ bezeichnet.

Doch Özdemir hat sich entschieden, einen Wahlkampf in Abgrenzung zu seiner eigenen Partei zu führen. „Ich bin baden-württembergischer Grüner. Die sind schon immer ein bisschen anders gewesen“, sagte er in dieser Woche im ARD-Talk Maischberger.

Weil er der Beschde isch.

Ex-Grünen-Chef Fritz Kuhn glaubt an Özdemirs Aufholjagd.

In Berlin lässt man Özdemir gewähren und schluckt den Ärger im Zweifel herunter. Und auch im Ländle gibt es nur wenig Kritik an Özdemir: „Wir müssen schon auch schauen, dass wir unser Kernwähler-Klientel nicht verlieren“, warnte zuletzt die Co-Vorsitzende der Grünen-Jugendorganisation Theresa Fidušek im SWR. Es benötige auch einen konsequenten Klimaschutz.

Doch die Granden der Partei versammeln sich demonstrativ hinter Özdemir. Ihm könne die Aufholjagd noch gelingen, „weil er der Beschde isch“, sagte Ex-Grünen-Chef Fritz Kuhn dem Tagesspiegel. Reinhard Bütikofer, ebenfalls Ex-Parteivorsitzender, glaubt an den Özdemir, weil er „die Leute davon überzeugen kann, dass die Fortsetzung der erfolgreichen Zusammenarbeit von Grünen und Schwarzen für Baden-Württemberg am besten ist“.

Und auch Danyal Bayaz, Finanzminister im Südwesten und Özdemir-Vertrauter, glaubt noch an den Spitzenkandidaten. „Wenn man Cem Özdemir abschreibt, dann dreht er erst richtig auf. Und genau diese Kämpfernatur braucht unser Land jetzt“, sagte er dieser Zeitung. Özdemir habe bewiesen, dass er ein Regierungsamt in schwierigen Zeiten ausüben könne. Die Hoffnung bei den Grünen ist groß – der Abstand zur CDU aber auch.

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