Verbrenner-Aus: Politik für die Autokonzerne, gegen die Autofahrer

vor 18 Stunden 4

Fürs Klima geben wir 90 Prozent. So lassen sich die Nachrichten aus Brüssel dieser Tage zusammenfassen. Die Europäische Union hat sich darauf festgelegt, den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase bis 2040 um 90 Prozent zu senken. Und 90 Prozent weniger CO₂ sollen laut Manfred Weber (CSU), dem Chef der konservativen Europäischen Volkspartei, auch die Autos von morgen auf unseren Straßen verlieren. Nicht 100 Prozent, wie nach jetziger Rechtslage vorgesehen.

Auf den ersten Blick scheint es aber gut zusammenzupassen. Ob 90 oder 100 Prozent, es klingt in jedem Fall anspruchsvoll.

Bei näherem Hinsehen passt es überhaupt nicht. Das Umweltbundesamt hat gerade berechnen lassen , was Deutschland tun müsste, um das Emissionsziel von 90 Prozent zu erreichen. Bisher ist das ja nur eine abstrakte Vorgabe, einen politischen Plan dafür gibt es nicht. Dieser müsste nach der neuen Studie bald mehrere teils unpopuläre, teils im Berliner Denken noch gar nicht angekommene Ideen umsetzen. Eine Pkw-Maut etwa, die nach der gefahrenen Strecke berechnet wird. Und das Verbrenner-Aus müsste vorgezogen statt verschoben werden. Deutschland sollte »spätestens ab 2032 keine Pkw und leichten Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr neu zulassen«, heißt es in dem Papier.

Autos werden älter

Warum schon 2032 ganz Schluss machen, wenn doch 2040 noch ein wenig fossiles Verbrennen erlaubt sein soll? Der Grund ist einfach: Autos werden alt. Sie werden sogar zunehmend älter . Der deutsche Durchschnitts-Pkw ist inzwischen 10,6 Jahre alt. Mindestens 30-jährige Wagen, die offiziell als Oldtimer zählen, steuern auf die Millionenmarke zu.

Das heißt: Kommen jetzt noch neue Verbrenner auf die Straßen, wird es in einigen Jahrzehnten viel zu viele davon geben, um selbst abgeschwächte Klimaziele einhalten zu können. Es sei denn, man legt sie dann massenhaft still oder findet bis dahin einen Weg, dass kein CO₂ mehr aus dem Auspuff quillt. Das kann aus heutiger Sicht praktisch ausgeschlossen werden, und wer noch auf die Wunder des Erfindergeistes hofft, sollte sein Zeitverständnis prüfen: Bis 2040 sind es nur noch 15 Jahre.

Das Problem lösen würde der Umstieg auf E-Antrieb, die Technik ist erprobt und verfügbar. Dass viele Autofahrer zögern, ist allerdings verständlich: Neuwagen sind für die meisten generell zu teuer, E-Autos erst recht, auch wenn der Abstand schnell schrumpft. Konservative Politiker spielen mit der Angst vor dem Neuen, schüren sie damit weiter und verwirren noch zusätzlich.

Immer neue Schlagwörter geistern durch die Öffentlichkeit, um der alten Technik doch noch einen Hauch von Zukunft zu geben: Wasserstoff, E-Fuels, Mild-, Voll- oder Plug-in-Hybrid, Range-Extender oder ganz neu »hocheffiziente« Verbrenner.

Tanken unbezahlbar machen – ist das der Ausweg?

Nichts davon hilft verunsicherten Verbrenner-Autofahrern weiter. Was an politischen Maßnahmen bleibt, um die Lücke zum Klimaziel zu schließen (und entsprechend schärfer werden muss), geht zumeist auf ihre Kosten. So startet der europäische Emissionshandel für Brennstoffe zwar verspätet und abgemildert. Man kann daran zweifeln, ob er je große Mengen CO₂ spart. Aber wenn er das tut, dann indem er Benzin oder Diesel so verteuert, dass die meisten sich Tanken schlicht nicht mehr leisten können.

»Klimafreundliches Tanken« versprach Umweltminister Carsten Schneider (SPD), nachdem das Bundeskabinett in dieser Woche neue Quoten für Mindestanteile erneuerbarer Kraftstoffe an deutschen Tankstellen beschloss – bis zu 59 Prozent 2040. Die Quote ist zwar das wohl geeignetste Mittel, sogenannten fortschrittlichen Biosprit und E-Fuels tatsächlich zu bekommen und die Klimabilanz der alten Pkw wenigstens etwas zu verbessern, sie nimmt direkt die Ölfirmen in die Pflicht. Die geforderten Mengen werden diese aber kaum beschaffen können, sie können sich freikaufen – und beide Optionen verteuern Benzin und Diesel.

Die Autolobby feiert einen Erfolg, weil andere an ihrer Stelle etwas tun müssen: die Ölfirmen beim Treibstoff, die Strombranche beim Aufbau von Ladestationen, und wenn es wie derzeit in Brüssel weiter nach ihr geht, die eigenen Kunden.

Das derzeitige Lieblingsschlupfloch der Autoindustrie heißt Plug-in-Hybride – Pkw, die wahlweise Strom laden oder tanken können. Für die Neuwagen-Flottengrenzwerte der Konzerne zählen sie mit einem fiktiven niedrigen CO₂-Wert, als käme das Tanken selten vor. Der EU ist das Ausmaß der Mogelei inzwischen aus Messdaten des realen Betriebs bekannt, deshalb sollten eigentlich ab 2026 realitätsnähere Emissionswerte gelten. Dann würde kein Hersteller mehr Plug-in-Hybride bauen wollen, deshalb wird das nun wohl abgewendet. Stattdessen, schlägt die Autolobby vor, könnte man ja die Besitzer der Fahrzeuge zum Laden zwingen.

Dabei sind die Hersteller fast durchweg bereit, mehrheitlich E-Autos anzubieten und für Neulinge attraktiv zu machen. Das werden sie auch weiter tun, nur nicht in dem für die Klimaziele nötigen Tempo. Denn das würde ihren Gewinn und die Dividenden ihrer Aktionäre schmälern. Auf diesen Effekt zielte das Verbrenner-Aus, schonend für Steuerzahler und Autokäufer. Die europäische Politik entscheidet sich, geführt von deutschen Konservativen, gegen diesen Weg.

Was können Autofahrer in dieser Lage tun? Vielleicht fragen sie Verbrenner-Vorkämpfer Manfred Weber um Rat. Der bekannte schon vor gut einem Jahr im ZDF: »Ich fahre Elektroauto privat.« Ja, natürlich. Er liebe das, »sehr ruhig, tolle Beschleunigung«. Da kann man noch ausgeruhter Lärm um den Verbrennungsmotor machen.

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