Nobelpreisverleihung: Rätselraten um Machado

vor 2 Tage 5

Zwei Monate nach der Vergabe der diesjährigen Nobelpreise sollen heute in der norwegischen Hauptstadt Oslo die Preisträger geehrt werden. Zwölf Wissenschaftler sowie der ungarische Schriftsteller László Krasznahorkai, der die Auszeichnung für Literatur zugesprochen bekam, werden erwartet. Doch ob die Friedensnobelpreisträgerin, die venezolanische Oppositionsführerin María Corina Machado dabei sein kann, ist fraglich.

Zwar hatte die venezolanische Oppositionsführerin in den vergangenen Wochen immer wieder gesagt, sie sei fest entschlossen, in die norwegische Hauptstadt zu kommen, um den Friedensnobelpreis persönlich entgegenzunehmen. Auch das Nobel-Institut hatte erklärt, es rechne mit einem Auftritt Machados. Im Laufe des Dienstags herrschte dann entsprechend reges Treiben in der norwegischen Hauptstadt; eine Pressekonferenz Machados wurde erst für den Mittag angekündigt, dann verschoben und schließlich abgesagt.

:Widerstandskämpferin mit Faible für Trump

Die Oppositionspolitikerin María Corina Machado soll diese Woche in Oslo den Friedensnobelpreis erhalten, weil sie Proteste gegen Diktator Maduros Wahlfälschung organisierte. Ob das Regime sie zur Preisverleihung reisen lässt?

Lateinamerikanische Staatschefs reisten an, die Machado persönlich zu der Zeremonie eingeladen hatte: der Panamaer José Raúl Mulino, der Paraguayer Santiago Peña, der Ecuadorianer Daniel Noboa. Und natürlich Argentiniens Präsident Javier Milei, von dessen libertären Ideen Machado besonders angetan ist. Ebenso wurden Machados Mutter, ihre Schwester und ihre Tochter in Oslo gesichtet.

Und doch konnte sich kaum jemand vorstellen, dass die Venezolanerin tatsächlich zur Preisverleihung im Rathaus von Oslo erscheinen würde. Die 58 Jahre alte Oppositionspolitikerin ist im vergangenen Jahr untergetaucht, nach eigenen Angaben lebt sie in Venezuela an einem geheimen Ort; das Regime in Caracas verbreitet Spekulationen, denen zufolge es sich dabei um die US-Botschaft handeln könnte. Machado musste damit rechnen, bei ihrer Ausreise verhaftet zu werden. Der venezolanische Generalstaatsanwalt Tarek William Saab hatte außerdem damit gedroht, Machado nach einer Ausreise nicht mehr ins Land zu lassen; die Widerstandsbewegung würde damit empfindlich geschwächt.

Machados Aufstieg von einer eher regional bekannten Oppositionsführerin zu einer weltweit bekannten Persönlichkeit begann im Sommer vergangenen Jahres. Nachdem sie selbst unter einem Vorwand nicht als Kandidatin zur Präsidentschaftswahl im Juli zugelassen worden war, überredete sie den früheren venezolanischen Diplomaten Edmundo González, an ihrer statt für die Opposition anzutreten und den Staatschef Nicolás Maduro herauszufordern.

Über soziale Umverteilung redet Machado kaum

Maduro, der Venezuela seit 2013 despotisch regiert, wollte sich bei jener Wahl eigentlich bequem im Amt bestätigen lassen und, ausgestattet mit neuer Legitimation, erreichen, dass die USA dauerhaft auf Sanktionen gegen sein Land verzichten. Als das Ergebnis aber nicht in seinem Sinne ausfiel, ließ Maduro es grob fälschen – und es war die Opposition unter der Führung Machados, die diese Fälschung belegen konnte. Sie hatte Beobachter in nahezu jedes Wahllokal des Landes geschickt; diese trugen etwa 80 Prozent der venezolanischen Wahlakten zusammen. Die Akten dokumentieren jede einzelne Stimme und gelten aufgrund des elektronischen Wahlsystems als fälschungssicher. Aus ihnen ging hervor, dass die Opposition die Wahl klar gewonnen hatte.

Machado organisierte daraufhin Proteste, an denen sich Hunderttausende beteiligten – und die Maduro niederschlagen ließ, es gab Tote und viele Verhaftungen. Der Oppositionskandidat González floh im Herbst 2024 ins spanische Exil. Machado aber blieb im Land, sie tauchte ab und rief von ihrem Versteck aus die Venezolaner immer wieder zum Widerstand auf. Auch für diese Hartnäckigkeit bekam sie im Oktober den Friedensnobelpreis.

An der Entscheidung des Komitees in Oslo gibt es aber auch viel Kritik. Beobachter nehmen etwa Anstoß daran, dass Machado sehr enge Beziehungen zu Donald Trump pflegt. Sie widmete dem US-Präsidenten, der ihn bekanntlich selbst sehr gerne bekommen hätte, ihren Friedensnobelpreis. Außerdem verteidigt sie die Luftschläge der USA auf mutmaßliche Schmugglerschiffe in der Karibik, die Maduro und seine Getreuen unter Druck setzen sollen. Dabei kamen in den vergangenen Wochen mehr als 80 Menschen zu Tode. Selbst eine US-Invasion Venezuelas befürwortet Machado; sie sei der einzige Weg, Maduro zu stürzen und das Land zu befreien.

In strategischer Hinsicht mögen solche Äußerungen nachvollziehbar sein; aus eigener Kraft hat es die venezolanische Opposition in den vergangenen Jahren nicht vermocht, den Wandel herbeizuführen. Viele Menschen sitzen aus politischen Gründen in Haft, darunter auch Familienangehörige von Oppositionspolitikern. Viele Menschen in Venezuela sehnen sich nach besseren Zeiten, sie leiden nicht nur unter der politischen Unterdrückung, sondern vor allem unter der wirtschaftlichen Misere - und das, obwohl Venezuela als erdölreichstes Land der Erde gilt.

Manche sehen in Machado zwar eine unerschrockene politische Führerin, nicht aber eine Friedensnobelpreisträgerin. Sie stammt aus einer einflussreichen Großindustriellen-Familie und unterhält nicht nur beste Beziehungen zu Donald Trump. Mit anderen bekannten Köpfen der internationalen Rechten ist sie ebenfalls bestens vernetzt, etwa mit Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro, der vor Kurzem wegen Putschplänen verurteilt wurde, oder mit Politikern der fremdenfeindlichen spanischen Vox-Partei.

Die Ideen, die Machado bisher für die Zeit nach einem möglichen Sturz Maduros vorgelegt hat, deuten darauf hin, dass sie die Wirtschaft nahezu vollständig privatisieren und das Land in großem Stil für ausländische Investoren öffnen will. Über soziale Umverteilung spricht sie hingegen kaum - weshalb sich in diesen Tagen viele ärmere Venezolaner fragen dürften, ob sie ihre Hoffnungen wirklich auf die Friedensnobelpreisträgerin setzen sollen.

Gesamten Artikel lesen