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Sarah und Christian Bau: »Einfach Bau – Sterneküche für zu Hause«
Der kleine saarländische Ort Nenning, nahe der Grenze zu Luxemburg, liegt nicht gerade auf den Hauptrouten internationaler Gourmets. Trotzdem hält der Küchenchef Christian Bau (54) mit seinem Restaurant Victor’s Fine Dining auf Schloss Berg seit 2005 die höchste Auszeichnung, die der Michelin zu vergeben hat: drei Sterne. Bau erhielt sie für seine einzigartige Amalgamisierung der französischen Hochküche mit den Kochtraditionen Japans. Gemeinsam mit seiner Souschefin und Ehefrau Sarah feiert er das 20-jährige Sternejubiläum mit gleich zwei Kochbüchern. Das Werk mit den extrem elaborierten Originalrezepten aus seiner Sterneküche, »Paris – Tokio: Weitergabe einer kulinarischen DNA« erscheint im März 2026.
Schon jetzt ist dagegen »Einfach Bau« erhältlich, das auf 272 Seiten seinem Untertitel »Sterneküche für zu Hause« gerecht wird: Die 64 Rezepte sind von Gerichten, die im Victor’s serviert werden, inspiriert. Doch wurden sie hier gekonnt von der Teamleistung einer typischen Champions-League-Brigade auf die Möglichkeiten einer halbwegs gut ausgestatteten Hobbyküche heruntergebrochen.
Im Gegensatz zu vielen vergleichbaren Projekten wird hier nicht schnöde und ohne Erklärung etwaiger Alternativen etwa in jedem dritten Rezept der Einsatz eines 6000 Euro teuren Paco-Jet-Systems vorausgesetzt. Ein Sahnespender (ISI), ein Vakuumierer und eine Sous-Vide-Kochvorrichtung wären allerdings hilfreich. Auch ein Thermomix kommt bei etlichen Rezepten zum Einsatz. Man kann diese Komponenten aber auch mit jedem anderen preiswerteren Mixer realisieren, der eine Erhitzungsfunktion hat.
Der Rest ist Handwerk und der Wille, sich mangels eines Asia-Shops in der Nähe auch mal Zutaten, die der gut sortierte Supermarkt um die Ecke nicht hat, online zu bestellen. Mit diesem überschaubaren Aufwand kann dann jeder halbwegs geübte Hobbykochschaffende großartige Cross-over-Küchenkunstwerke nachbasteln.
So kommt die 24-Stunden-Kalbshaxe mit einer Ponzu-Soße auf den Teller, die Hollandaise zum Spargel ist mit Misopaste umamisiert, die Soße zur Entenbrust basiert auf Kaffee und Tamarinde. In der Krustentiercremesuppe schwimmen Wan Tan, der Zander wird mit einer Kojyu-Vinaigrette angesäuert, der Hummer in Dahi-Butter confiert. Die Apfel-Forellen-Macarons werden mit Wasabi geschärft, die Kruste des Lammkarrees aus schwarzem Knoblauch, Mirin und Miso gemixt und die Venusmuscheln mit Zitronengras, Koriander und Sake aromatisiert.
Das alles ist eingebettet in ein für Einsteiger der Asia-Fusionküche sehr brauchbares Warenkundekapitel, ausführliche Erklärungen zu den verwendeten Gerätschaften und einer an die Arbeitsabläufe der Hobbyküche weitgehend schlüssig angepassten Schritt-für-Schritt-Führung durch die Rezepte. Weil mit Mathias Neubauer einer der besten deutschen Food-Fotografen die von den beiden Baus traumhaft schön, aber nie überkandidelt angerichteten Teller in speicheltreibende Kleinkunstwerke verwandelt hat, gehört dieses Buch unter den Weihnachtsbaum jeder ehrgeizigen Wohnküche.
Typisches Rezept? »Zander mit Kojyu-Vinaigrette und Okra-Tempura«
Was kostet das? 34,95 Euro
An richtig große, opulente Werke über einzelne Regionalküchen trauen sich deutsche Kochbuchverlage schon lange nicht mehr ran. Das macht nichts, solange internationale Häuser wie zum Beispiel Hachette Livre in Paris das noch stemmen können. Deren 2024 unter dem Titel »La cuisine des lacs italiens« erschienenes 400-seitiges Genuss- und Reise-Standardwerk über die Küche entlang der norditalienischen Seen ist nun als Lizenzausgabe auch in deutscher Übersetzung zu bekommen.
Dem Originaltitel wurde ein »Lago« vorangesetzt. Schließlich dürfte es nur wenige Schweizer geben, die das legendäre ans Tessin grenzende Gewässer mit seinem deutschen Namen »Langensee« benennen, statt die geläufigere Bezeichnung Lago Maggiore zu verwenden. Auch der kleine Lago di Mergozzo wird im Buch mit seinem italienischen Namen geführt. Für die übrigen Gewässer werden die in Deutschland geläufigen Bezeichnungen wie Garda-, Orta-, Iseo- und Comer See verwendet.
Die Italien-Kennerin und stellvertretende Chefredakteurin der französischen Frauenzeitschrift »Elle«, Catherine Roig, hat schon etliche erfolgreiche Bücher zu Genussthemen geschrieben. Doch »Lago« ist ihr Meisterstück. Die eindrucksvollen Food- und Reisebilder stammen von der sonst eher auf Mode und Design spezialisierten Fotografin Emanuela Cino.
Roig liefert ein intimes, gut beobachtetes, mit vielen Erzeuger- und Gastronomen-Porträts angereichertes und bei den Speiseanleitungen durchweg einfach nachkochbares gustatorisches Gesamtbild dieser spannenden kulinarischen Nahtstelle zwischen der oft kargen alpinen Küche und der Opulenz der italienischen Cuisine.
Viele der knapp 100 typischen Speisen sind mit lokalen Produkten und aus den jeweiligen Gewässern geangelten Fischen rezeptiert. Dennoch lassen sich die meisten Gerichte auch mit hierzulande verfügbaren Zutaten realisieren. Die gegrillten Sardinen müssen nicht unbedingt im Iseo-See geschwommen haben, solange man sie heiß und zügig röstet und puristisch mit Olivenöl, Petersilie und Zitrone serviert. Den Taleggio zu den Polenta-Frikadellen von den Gestaden des Orta-Sees bekommt man an jeder gut sortierten Käsetheke. Für die frittierten Ravioli mit Fleischfüllung muss man nicht zwangsweise bis nach Cannobio am Lago Maggiore nahe der Schweizer Grenze fahren.
Die Region um den Gardasee füllt das zweitlängste Kapitel im Buch. Es punktet mit Spezialitäten wie Auberginenflan mit Tomatensoße und Grana-Padano-Chips, Crostata mit Pflaumenkonfitüre sowie knusprigem Schweinebauch mit Ofenkartoffeln und Orangen-Mostarda. Doch die Küche des Comer Sees ist noch vielfältiger und geschmacksintensiver. Mit Gerichten wie Pappardelle mit Hirschragout, Buchweizen-Pasta Pizzoccheri valtellinesi, Kaninchen mit Polenta sowie Tagliolini mit Missoltini (in der Sonne getrockneten Maifischen), stellt das Kapitel des italienischen Sees in der Lombardei zu Recht das Herz des Buches dar.
»Lago« entführt uns mit allen Sinnen in die großartige, extrem produktzentrierte Küche der oberitalienischen Seen – und nimmt uns zugleich mit auf eine Reise durch Sehnsuchtsorte am Fuße der Alpen.
Typisches Rezept? »Battuta vom Fassona-Rind mit Gorgonzolasoße und Polenta-Chips«
Was kostet das? 38 Euro
Yasmin Newman: »Eat NYC!«
Wer gern typische kanadische, chinesische, mexikanische, jüdische, griechische oder italienische Streetfood-Gerichte isst (und nachkochen möchte), muss zur Inspiration nicht nach Québec, Shanghai, Tijuana, Tel Aviv, Thessaloniki oder Turin fahren. Einwanderer aus diesen Regionen prägen nach wie vor die kulinarische Vielfalt der Küchen in der Schmelztiegel-Metropole New York City.
Feine Speisen werden dort oft ohne Besteck und Teller einfach aus der Hand gegessen. Gemeinsam mit US-Delikatessen wie dem Reuben-Sandwich, dem Porterhouse-Steak, Donuts, dem Waldorf-Salat, B.E.C. (Bacon, Egg & Cheese) sowie Cheesecake bilden sie den Referenzraum für die mehr als 100 mit passend knalligen Food-Fotos und mitreißenden Mood-Motiven bebilderten und wild layouteten Rezepte dieses Buches.
Auf 256 Seiten kompilierte die von den Philippinen stammende und derzeit in Sydney lebende Journalistin und Kochbuchautorin Yasmin Newman die kunterbunte Essenswelt der fünf New Yorker Boroughs Manhattan, Bronx, Queens, Brooklyn und Staten Island. Das Buch unterteilte sie in Kapitel, die dem kulinarischen Tagesablauf von Breakfast & Brunch über Lunch & Street Eats bis zu Dinner & Midnight Snacks folgen.
Konsequent erzählt Newman zu jeder Delikatesse und Spezialität eine kurze Geschichte über deren Herkunft und Werdegang. Man erfährt, dass Bagels im späten 19. Jahrhundert von polnischen Einwanderern in die Stadt gebracht wurden und erst dort zu einem kulinarischen Wahrzeichen jüdischer Snack-Kultur wurden. Aber auch, dass der ursprünglich in New England gekochte Fischeintopf in New York von italienischen Einwanderern mit Tomaten und Chili zum rot-scharfen Manhattan Clam Chowder verfeinert wurde. Und dass aus den Südstaaten geflohene afroamerikanische Sklaven Hühnchenteile mithilfe von Buttermilchmarinade und Maisgries-Panade zu wunderbar kross-saftigem Harlem Fried Chicken machten.
Nicht minder authentisch sind die aus Venezuela und Kolumbien stammenden Arepas-Maisfladen, die jüdische Matzenknödel-Suppe und das feurige Hühnergericht General Ts's Chicken aus der chinesischen Provinz Hunan. Das Gleiche gilt für den Knusper-Schweinebauch Bo Ssam aus dem koreanisch geprägten K-Town, jamaikanische Jerk-Gerichte, polnisch-ukrainische Piroggen, Chatschapuri aus Georgien, indisches Samosa Chaat sowie Latino-Genüsse wie Tacos de Adobada und Pernil con Arroz.
Wer sich durch die halbe Welt essen und kochen möchte, spart sich mit diesem Buch eine teure Genussreise nach New York.
Typisches Rezept? »Manhattan Clam Chowder«
Was kostet das? 34,99 Euro
Der schon beim Bau-Buch erwähnte Lichtbildkünstler Jörg Lehmann hat auch diese Leistungsschau der jungen österreichischen Spitzenküche fotografiert. Mit spektakulären Food-Bildern der ausgesprochen elaboriert zubereiteten und dekorierten Gerichte sowie intensiven, manchmal fast erschreckend schrägen, ganzseitig gedruckten Schwarz-Weiß-Porträts der Kochschaffenden dient Lehmann dieses Buch für die Kaffeetischchen genussbegeisterter Haushalte an.
Hinter dem Projekt steht die vor 51 Jahren in Frankreich gegründete Vereinigung von Köchen und Restaurantbetreibern, Jeunes Restaurateurs d’Europe (JRE), die in vielen Ländern Europas seit Jahrzehnten Nachwuchstalente fördert. Vor allem, indem sie ihnen das Know-how erfolgreicher Küchenstars zugänglich macht. Diese Membres d’Honneur sind über 50 Jahre alt und nutzen die JRE-Foren und -Zusammenkünfte, um ihr Wissen an den Nachwuchs weiterzugeben.
Und der hat es – auch in Österreich – in sich. Nicht alle in dem Buch mit teilweise hochkomplexen, stets aber interessanten Rezepturen vertretenen Köche haben bereits einen Michelin-Stern. Aber sie alle arbeiten mit einer vergleichbaren Leidenschaft, Hingabe, Können und Schaffungshöhe. Deswegen ist »Signatures« kein Buch für Hobbyköche, die mal schnell in 15 Minuten etwas Leckeres auf den Tisch bringen wollen.
Die 42 »Signature«-Dishes sind eher von und für Profis rezeptiert. Das beginnt bei Chawanmushi von Zitrusfrüchten mit gegrillter Avocadocreme, gepickeltem Dillgel, Ingweröl und Osietra-Kaviar und reicht bis zu Mühlviertler Leinöl-Eis mit Weichseln, Karamell und Vogerlsalat. Die Rezepte stammen von Topchefs wie Vitus Winkler, Roman Pichler und Hans-Jörg Unterrainer. Mit Eveline Wild ist leider nur eine Frau dabei.
Grundsätzlich aber gilt, dass bestenfalls private Kochklubs oder ambitionierte Hobbyisten mit viel Können, guten Bezugsquellen, entsprechendem Equipment und angstfreiem Umgang mit Profizeugs wie Xanthan, flüssigem Stickstoff und Carragen diese spannenden Kreationen halbwegs original nachbauen können.
Für diese Zielgruppe gibt es jedenfalls kaum ein passenderes Buchgeschenk vom Weihnachtsmann.
Typisches Rezept? »Oktopus mit Riebelmais-Tascherl, Blutwurst, geschmortes Spitzkraut«
Was kostet das? 49,90 Euro

vor 2 Tage
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