Mangelnde Unabhängigkeit Umstrittene Glyphosatstudie nach 25 Jahren zurückgezogen
Das Pestizid Glyphosat sei nicht krebserregend, befand eine Studie im Jahr 2000. Seitdem verwies Hersteller Monsanto immer wieder darauf. Doch offenbar haben Konzernmitarbeiter daran mitgearbeitet.
10.12.2025, 13.51 Uhr
Ein Landwirt versprüht Glyphosat auf einem Feld
Foto: Martin Schroeder / CHROMORANGE / picture allianceAutomatisch erstellt mit KI. Mehr Informationen dazu hier.
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Eine Studie kam im Jahr 2000 zu dem Schluss, dass das Pestizid Glyphosat und das Präparat Roundup nicht krebserregend sind. Seither berief sich der damalige Hersteller Monsanto immer wieder auf das Papier, um zu argumentieren, wie harmlos die Mittel seien. Nun hat die Fachzeitschrift »Regulatory Toxicology and Pharmacology« die Studie formell zurückgezogen.
Die Studie habe weithin als wegweisend in der Debatte gegolten, heißt es vom Fachverlag Elsevier, in dem das Fachblatt erscheint. Nun sei aber unklar, ob die Schlussfolgerung, dass Glyphosat und Roundup nicht krebserregend sind, tatsächlich korrekt ist. Der zuständige Chefredakteur Martin van den Berg schreibt, es seien Bedenken geäußert worden hinsichtlich der Urheberschaft der Studie, der Gültigkeit der Ergebnisse im Zusammenhang mit einer falschen Darstellung der Beiträge der Autoren und des Studiensponsors sowie potenzieller Interessenkonflikte der Autoren. Demnach gibt es mehrere Punkte, die zur Rücknahme führten, unter anderem:
Bewertung der Karzinogenität: Die Schlussfolgerungen der Studie hinsichtlich der Karzinogenität von Glyphosat basierten ausschließlich auf Studien von Monsanto. Diese zeigten kein tumorauslösendes Potenzial, schreibt van den Berg. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung habe es andere Langzeitstudien zur chronischen Toxizität und Karzinogenität gegeben, deren Daten nicht berücksichtigt worden seien.
Mangelnde Unabhängigkeit der Autoren: Ein Rechtsstreit in den USA brachte Korrespondenz von Monsanto ans Licht, aus der hervorgehe, dass die drei in der Studie genannten Autoren wohl nicht allein für den Inhalt verantwortlich gewesen sein sollen. Stattdessen hätten möglicherweise Mitarbeiter von Monsanto ohne ordnungsgemäße Nennung als Mitautoren an der Erstellung mitgewirkt.
Falsche Darstellung der Beiträge: Die möglichen Beiträge der Mitarbeiter von Monsanto als Mitautoren wurden im Abschnitt »Danksagungen« offenbar nicht ausdrücklich als solche erwähnt. »Diese Auslassung lässt vermuten, dass die Autoren ihre jeweiligen Rollen und den kooperativen Charakter der vorgestellten Arbeit falsch dargestellt haben könnten«, so van den Berg.
Fragen zur finanziellen Vergütung: Weitere während des Rechtsstreits offengelegte Korrespondenz mit Monsanto deutet der Mitteilung zufolge darauf hin, dass die drei offiziell genannten Autoren möglicherweise eine finanzielle Vergütung von Monsanto für ihre Arbeit an der Studie erhalten haben. Das sei nicht offengelegt worden, heißt es.
Historischer Kontext und Einfluss: Die Studie hatte jahrzehntelang einen erheblichen Einfluss auf regulatorische Entscheidungen in Bezug auf Glyphosat und Roundup. »Angesichts seines Status als Eckpfeiler für die Bewertung der Sicherheit von Glyphosat ist es unerlässlich, dass die Seriosität dieses Übersichtsartikels und seiner Schlussfolgerungen nicht beeinträchtigt wird«, heißt es.
Aufgrund dieser Punkte gebe es kein Vertrauen mehr in die Ergebnisse und Schlussfolgerungen, das mache die Rücknahme notwendig, schreibt Chefredakteur van den Berg.
Ein Schild zeigt, dass auf einem Feld Glyphosat verwendet wird
Foto: Ricardo Ceppi / Getty ImagesWarum passiert das jetzt?
Im Jahr 2017 seien in einem Gerichtsverfahren interne E-Mails des Chemiekonzerns Monsanto veröffentlicht worden, die nahelegten, dass Mitarbeiter des Unternehmens an der Erstellung der einflussreichen Studie mitgewirkt hatten, heißt es in einem Beitrag des Fachmagazins »Science« .
Erst vor wenigen Monaten hatte ein Forschungsduo im Fachjournal »Environmental Science & Policy« berichtet, wie stark die Studie dennoch weiter zitiert wird und Einfluss hat: Die Studie gehört demnach zur absoluten Spitzengruppe der meistzitierten Studien in der Glyphosat-bezogenen Forschung. Die Enthüllungen über Monsantos verdeckte Beteiligung hätten daran kaum etwas verändert.
Was sagt der Hersteller?
Der jetzige Monsanto-Eigner Bayer weist die Kritik zurück. Bei der zurückgezogenen Studie handele sich um einen reinen Übersichtsartikel ordnungsgemäß eingereichter Studien, erklärte Konzernsprecher Philipp Blank in einer Stellungnahme auf Nachfrage der Nachrichtenagentur dpa: »Glyphosat ist das in den letzten 50 Jahren am umfassendsten untersuchte Herbizid.« Unter führenden Regulierungsbehörden weltweit herrsche Einigkeit, dass Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung sicher sei.
Logo des Pharmakonzerns Bayer AG am Werk im Chemiepark Leverkusen
Foto: Christoph Hardt / Panama Pictures / picture allianceWie ist der Forschungsstand?
Glyphosat gilt nach Einschätzung der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsagentur (WHO) als wahrscheinlich krebserregend für den Menschen. Behörden wie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sehen bei Einhaltung der Anwendungsregeln aber kein relevantes Krebsrisiko.
Der vermeintliche Widerspruch ist dabei nicht wirklich einer: Die IARC beurteilte die Krebsgefahr, also die generelle Möglichkeit, dass Glyphosat Krebs verursacht. In die Bewertung der Behörden floss das Alltagsrisiko als Faktor ein. Die EFSA bewertet das Krebsrisiko bei den Mengen, die ein Mensch üblicherweise etwa über Lebensmittel aufnimmt, als vernachlässigbar.
Wofür wird Glyphosat genutzt?
Es handelt sich um ein sogenanntes Totalherbizid, das nahezu alle grünen Pflanzen schädigt. Glyphosat wird seit Mitte der Siebzigerjahre vor allem unter dem Handelsnamen »Roundup« genutzt und ist heute in zahlreichen Pflanzenschutzmitteln verschiedener Hersteller enthalten. Landwirte sprühen es beispielsweise vor der Aussaat auf Feldern, um unerwünschte Konkurrenzpflanzen zu vernichten.
Die EU hat die Genehmigung für Glyphosat zuletzt bis Ende 2033 verlängert. In einem Teil der Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, sind Anwendungen in Haus- und Kleingärten sowie auf Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind, verboten oder stark eingeschränkt. In den USA hatten in den vergangenen Jahren an Krebs erkrankte Menschen, die Roundup verwendet hatten, mehrfach hohe Schadenersatzsummen zugesprochen bekommen.

vor 2 Tage
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