Die Bundesnetzagentur will mit neuen Regeln für Strom- und Gasnetzbetreiber Investitionen in die Energiewende erleichtern und zugleich die Kosten für Verbraucher im Zaum halten. Man schaffe einen investitionsfreundlicheren Rahmen, um die deutschen Stromnetze attraktiver zu machen, teilte die Behörde mit. Für die Stromverteilnetzbetreiber geht die Behörde von einem Erlöszuwachs von 1,4 Prozent aus. Effekte aus steigenden Investitionen oder dem höheren Zinsniveau sind darin noch nicht enthalten.
Das rund 1,9 Millionen Kilometer lange deutsche Stromnetz muss massiv aus- und umgebaut werden, weil derzeit Millionen Solaranlagen, Wärmepumpen, Stromspeicher und Ladeparks für E-Autos daran angeschlossen werden. Unternehmen wie E.on müssen dafür in den kommenden Jahren zweistellige Milliardenbeträge investieren. Die BNetzA, die die Renditen der Firmen reguliert, muss dafür genug Anreize schaffen. Gleichzeitig muss sie verhindern, dass die Konzerne auf Kosten der Endkunden abkassieren. In diesem Spannungsfeld stünden die neuen Regelungen, sagte Behördenchef Klaus Müller.
Kern der neuen Festlegungen ist eine Umgestaltung der sogenannten Anreizregulierung für alle Gasnetzbetreiber und die Verteilnetzbetreiber für Strom nach 2027. Kosten werden weiterhin in einem Basisjahr geprüft und für eine Regulierungsperiode fortgeschrieben. Kostenveränderungen sollen nun aber schneller erfasst werden, indem die Regulierungsperioden perspektivisch auf drei Jahre verkürzt werden. Das soll Missbrauch in diesem Bereich verhindern.
Die BNetzA setzt in regelmäßigen Abständen ein Referenzjahr an, in dem sie die zulässigen Renditen der Netzbetreiber berechnet. Für dieses Jahr erhebt sie für jede Firma alle Kosten. Das führt dazu, dass sich manche Firmen in der Bilanz für dieses Jahr arm rechnen – zum Beispiel, indem sie hohe Wartungskosten ins Referenzjahr hineinschieben. Und dann fünf Jahre aus Basis dieses Bilanzkniffs über Gebühr abkassieren. Die Reduktion des Berechnungszeitraums auf drei Jahre soll solche Tricksereien nun zumindest beschneiden.
Kürzere Prüfintervalle
Materiell bedeutsam ist laut Netzagentur ein Instrument zur Anpassung der Betriebskosten, das nun für alle Betreiber gelten soll. Wenn deren Versorgungsaufgabe wächst, können auch die Kosten für Personal oder Wartungen angepasst werden. Der Eigenkapitalzinssatz werde durch eine neue Berechnungsmethode steigen.
Im Gegenzug verschärft die Behörde die Effizienzanforderungen. Ineffizienzen müssten über drei statt wie bisher fünf Jahre abgebaut werden. Der Effizienzvergleich unter den Netzbetreibern sei das Herzstück der Regulierung, um die Energiewende zu geringstmöglichen Kosten umzusetzen. Die Übertragungsnetzbetreiber sind von den neuen Regeln ausgenommen und erhalten eine gesonderte Regulierung. Hintergrund der Neuregelung ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2021.
Auch Brüssel ist nicht untätig geblieben. Die EU-Kommission hat am Mittwoch ein Paket an Gesetzesvorschlägen präsentiert, das dazu beitragen soll, die Stromnetze innerhalb Europas besser zu verknüpfen. Ziel ist es, die Energieversorgung in Europa insgesamt günstiger und klimafreundlicher zu machen.
Mehrere kritische Engpässe
Wie wichtig das ist, zeigte beispielhaft der Blackout im April in Spanien und Portugal: Als dort flächendeckend der Strom ausfiel, dauerte es stundenlang, die Versorgung wieder aufzubauen – auch weil die iberische Halbinsel nur über wenige Leitungen nach Frankreich mit dem zentraleuropäischen Netz verbunden ist. Spanien und Portugal fordern schon lange einen besseren Anschluss, doch Frankreich stand bislang auf der Bremse.
Die EU-Kommission hatte bereits zuvor das Ziel ausgerufen, dass jeder Mitgliedstaat bis 2030 über grenzüberschreitende Leitungen verfügen muss, die zumindest 15 Prozent seines eigenen Strombedarfs decken können. Doch seien gleich mehrere Länder »nicht auf dem Weg«, das Ziel zu erreichen, konstatiert die Brüsseler Behörde. Die EU habe noch nicht das Maß an Vernetzung erreicht, »das eine echte Energieunion ermöglichen würde«. Dies stehe einer schnellen Energiewende im Weg.
Die Kommission verlangt nun unter anderem, dass Energienetze künftig mit einer »wirklich europäischen« statt nur einer nationalen Perspektive geplant werden sollen – auf der Basis eines zentralen EU-Szenarios, das alle vier Jahre weiterentwickelt werden soll. Auch sollen die Kosten grenzüberschreitender Projekte fairer verteilt werden. Denn in vielen Fällen profitieren Staaten indirekt von »Stromautobahnen« außerhalb ihres eigenen Territoriums. Die Behörde will auch die Genehmigungsprozesse für grenzüberschreitende Leitungen beschleunigen. Sie hat acht besonders kritische Engpässe im europäischen Netz identifiziert und will künftig entsprechende Projekten besser fördern.
Fünf Milliarden investieren, acht Milliarden sparen
Die Kommission reagiert mit ihren Vorschlägen darauf, dass Strom in der EU teurer ist als etwa in China oder den USA. Zudem gibt es große Unterschiede zwischen Hochpreisländern wie Deutschland und Staaten mit günstigerem Strom, etwa Finnland oder Ungarn. Einen Hauptgrund dafür sieht die Behörde in der »unzureichenden« Integration der Netze.
Stattdessen solle künftig »saubere, erschwingliche Energie aus heimischer Produktion frei und sicher in jeden Winkel unserer Union fließen« können, sagte Energiekommissar Dan Jørgensen. Seine Behörde rechnet vor, dass die EU acht Milliarden Euro an Stromsystemkosten sparen würde, wenn fünf Milliarden Euro in grenzüberschreitende Leitungen investiert würden.
Über die Vorschläge der EU-Kommission müssen das Europaparlament und der Rat der Mitgliedstaaten noch beraten.

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