Digitalstrategie: Krankenkassen wollen mehr Zugang zu Daten, Ärzte warnen

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Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen fordert eine umfassende Digitalstrategie für eine zukunftsgerichtete Gesundheitsversorgung. Im Positionspapier „Digitalstrategie für eine zukunftsgerichtete Gesundheitsversorgung“ plädiert der Verband für eine patientenzentrierte Ausrichtung, bei der die elektronische Patientenakte (ePA) zum Kern eines digitalen Ökosystems ausgebaut wird und die Krankenkassen eine aktivere Rolle als "digitale Lotsen" einnehmen.

Ein zentrales Anliegen des Verbandes (PDF) für das geplante Update der Digitalstrategie im Gesundheitswesen ist es, die ePA von einer reinen Dokumentenablage zu einer interaktiven Plattform weiterzuentwickeln. "Die elektronische Patientenakte (ePA) muss dieses Herzstück einer digital transformierten Versorgung und die Basis eines Gesundheitsökosystems werden", heißt es in dem Papier (PDF). Ergänzt werden soll sie durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), Telemedizin und individuellen Mehrwertanwendungen der Krankenkassen.

Zudem kritisiert der Verband die Rolle der Gematik: "Die Gematik sollte sich auf ihre Kernaufgaben als Zulassungs-, Spezifikations- und Aufsichtsinstanz konzentrieren und ihre Rolle als operative Entwicklerin digitaler Anwendungen zurückfahren." Statt zentraler Steuerung brauche es mehr wettbewerbliche Spielräume für die Kassen.

Um den Zugang zu digitalen Gesundheitsdiensten zu erleichtern, drängt der Verband auf die zügige Einführung der Telematikinfrastruktur 2.0 – der Weiterentwicklung des Vorgängers der Gesundheitsdatenautobahn – sowie auf eine ressortübergreifende Strategie für einheitliche digitale Identitäten.

Der GKV-Spitzenverband will allerdings auch deutlich mehr Gestaltungsspielraum für die Krankenkassen. "Krankenkassen müssen als digitale Lotsen agieren können und eigene digitale Services und Gesundheitslösungen auf Basis der ePA entwickeln und anbieten dürfen – vor allem in den Bereichen der Prävention, z. B. durch den Ausbau der datengestützten Früherkennung von Krankheiten", so eine der Kernforderungen. Als Beispiele werden Impf-Erinnerungen, KI-gestützte Analysen von Gesundheitsdaten oder personalisierte Präventionsangebote genannt. Dank des Zugriffs auf Routinedaten sollen Krankheiten früher erkannt werden.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Nutzung von Versorgungsdaten. "Krankenkassen müssen tagesaktuelle Versorgungsdaten erhalten und nutzen dürfen, um personalisierte Präventions- und Versorgungsangebote zu entwickeln und anzubieten," heißt es. Gleichzeitig sollen KI und Automatisierung helfen, Verwaltungsprozesse zu verschlanken und Bürokratie abzubauen, um mehr Zeit für die Patientenversorgung zu schaffen.

Die Pläne stoßen auf heftigen Widerstand aus der Ärzteschaft, etwa von der Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN). „Die Krankenkassen wollen an den etablierten ambulanten Versorgungsstrukturen vorbei Teile der Patientenbehandlung übernehmen. Sie sehen sich in Zukunft als Therapieanbieter und Leistungserbringer. Das ist nicht ihre Aufgabe!“, kritisiert KVN-Vorständin Nicole Löhr. Diese Entwicklung stelle „das über Jahrzehnte geltende Prinzip der gemeinsamen Selbstverwaltung“ infrage und führe in ein „Krankenkassen-dominiertes System“ mit dem alleinigen Ziel der Kosteneinsparung. „Personalisierte Patientendaten gehören nicht in die Hände von Krankenkassen“, so Löhr mit Verweis auf das Patientengeheimnis und die ärztliche Schweigepflicht.

Bereits in der Vergangenheit gab es Kritik an dem Paragrafen 25b, mit dem Krankenkassen anhand der Abrechnungsdaten Empfehlungen aussprechen dürfen. „Während Krankenkassen künftig Zugriff auf Versorgungsdaten erhalten und sogar eigene Algorithmen entwickeln dürfen, bleiben Ärztinnen und Ärzte von denselben Daten weitgehend ausgeschlossen und dürfen die Algorithmen nicht mitentwickeln“, sagte die Medizininformatikerin Sylvia Thun gegenüber der Ärzte Zeitung.

(mack)

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